Thematische Session 7.1

Pham Thi, Susann

Empowerment und Powersharing partizipativ untersuchen: Eine Reflexion über das Verhältnis von Theorie und Praxis.

Wörter wie Empowerment, Powersharing und Partizipation sind in der heutigen Forschungsland-schaft allgegenwärtig und gelten als Schlüsselbegriffe für erfolgreiche Projekte und Förderanträ-ge. Doch sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive müssen diese Konzep-te und ihre Umsetzung kontinuierlich reflektiert und angepasst werden, was auch zu Spannun-gen und Widersprüchen führt. Zugleich sind Diversity- und Inklusionsprojekte weltweit durch den politischen Rechtsruck und durch finanzielle Kürzungen bedroht, was ihre Verteidigung zu einer gemeinsamen Aufgabe macht. Vor diesem Hintergrund bewegen wir uns in einem Spannungsfeld zwischen Politik, Theorie und Praxis. Während sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch in der Praxis der Politischen Bildung und der Sozialen Arbeit die Notwendigkeit inklusiver, partizipa-tiver und empowernder Ansätze hervorgehoben wird, um marginalisierte Gruppen zu stärken, politisch verbunden zu bleiben und wirksam demokratisch zu handeln, sind die Umsetzungen einiger Formate mit Skepsis zu betrachten, insbesondere da wo Machtverhältnisse reproduziert und Ressourcen und Zugänge nicht umverteilt werden.Die Session lädt dazu ein, das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis kritisch zu reflektieren: Welche praktischen Realitäten ste-hen theoretischen Ansätzen gegenüber? Wie reproduzieren Kooperationen häufig Machtun-gleichheiten, statt sie zu überwinden? Wo sind Annahmen zu kurz gedacht oder nicht machtkri-tisch? Und welche Good Practices gibt es, auf die wir verweisen können? Das Verbundprojekt „InterEmp – Intersektional stärken“, gefördert vom BMBF, lädt zu dieser Session ein. Das Pro-jekt selbst ist ein Wissenschafts-Praxis-Verbund zwischen dem Deutschen Zentrum für Integra-tions und Migrationsforschung (DeZIM), Mpower (Empowerment für Frauen und Mädchen) und dem Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra), welches intersektionales Empow-erment und Powersharing migrantisch-positionierter Frauen konzeptualisiert, in der Praxis pi-lothaft erprobt, in die erweiterte Praxis transferiert und Good Practices-Empfehlungen für die politische Steuerung gibt.

Abstracts

Albrecht, Yvonne

Chancen und Herausforderungen partizipativer Forschung – ein Blick aus der Wissenschaft

 Partizipative Forschung stellt einen Oberbegriff für Ansätze dar, die soziale Wirklichkeit in Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis analysieren und beeinflussen. Aus wissenschaftlicher Perspektive eröffnet partizipative Forschung facettenreiche Chancen: Die Beteiligung von Akteur*innen der Praxis bei der Entwicklung von Forschungsfragen und -designs beinhaltet die Möglichkeit, gemeinsam innovative Fragestellungen zu generieren, die in der Praxis verankert sind. Kreative Lösungsansätze werden gefördert, die tatsächlich an Bedarfen orientiert sind. Die Integration von Praxiswissen kann so zur Erhöhung der Relevanz und Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse beitragen – das gemeinsam generierte Wissen verbleibt zudem nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs, sondern entfaltet bestenfalls eine Transfer-Wirkung in das erweiterte Feld der Praxis. Auch kann die Kooperation mit Praxisakteur*innen zur Stärkung gesellschaftlicher Wirkung und Legitimation wissenschaftlicher Arbeit beitragen. Gleichzeitig können sich jedoch Herausforderungen ergeben: Dazu zählen methodologische Spannungsfelder zwischen wissenschaftlicher Systematik und den Notwendigkeiten der Praxis sowie daraus resultierende Übersetzungsleistungen von der einen in die andere Richtung und umgekehrt, die von den Beteiligten zusätzlich erbracht werden müssen. Reflexionsprozesse, die tradierte, asymmetrische Machtverhältnisse sowie zeitliche und strukturelle Unterschiede zwischen wissenschaftlichem und praktischem Handeln betreffen, müssen kontinuierlich erfolgen. Der Beitrag diskutiert diese Chancen und Herausforderungen in Wissenschafts-Praxis-Kooperationen und plädiert für die kontinuierliche Umsetzung von Reflexionssituationen, um partizipative Forschung erfolgreich zu realisieren.

Bobaj, Mervete

Machtkritische und empowernde Ansätze in autoethnografischer Peer-Forschung mit migrantisch-positionierten Mädchen

Power e.V. ist seit 2016 aktiv in der gendersensiblen und feministischen Empowermentarbeit mit Mädchen und Frauen mit Migrationsgeschichte. Als etablierter Träger übernimmt MPower eine zentrale Rolle in der Berliner Empowermentlandschaft. Mpower ist erfahren in Forschungs-Kooperationen (Universität Berkeley zu „Migrant knowledge“; Universität Bielefeld; ASTRA). Im Rahmen des Verbundprojekts „Intersektionales Empowerment“ wird untersucht, anhand einer Kombination aus audiovisuellen und autoethnografischen Methoden, wie Empowermentaktivitäten für die Zielgruppe gestaltet werden können, um intersektionale, machtkritische und partizipative Ansätze zu fördern.

Im Praxisprozess stößt MPower jedoch auf diverse Herausforderungen, beispielsweise bei der Datenerhebung, bei der methodischen Flexibilität sowie bei der Anwendung pädagogischer Konzepte, die oftmals im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erwartungen stehen.

In diesem Vortrag soll es darum gehen, die Praxisrealitäten im Spannungsfeld zwischen theoretischen Annahmen und praktischer Umsetzung zu reflektieren. Dazu wird ebenfalls ein Kurzfilm gezeigt. Ziel ist es, mögliche Wege aufzuzeigen, wie zukünftige Projekte diese Konflikte adressieren und produktiv nutzen können, um inklusive und machtkritische Empowermentprozesse weiterzuentwickeln.

Yilmaz, Seyma

Intersektionales Powersharing in der Praxis: Chancen, Herausforderungen und (kritische) Reflexionen zu migrantisch positionierten Frauen und Mädchen

 Powersharing bedeutet Macht um(ver)teilen und zielt sich auf strukturelle Veränderung, Bewusstwerdung eigener Privilegien, deren Abgabe und/oder Verzicht ohne Mitbestimmung ab. Hierbei spielt die Intersektionalität eine grundlegende Rolle, um diversitätsbewusste Handlungsoptionen für migrantisch positionierte Frauen und Mädchen zu ermöglichen. Wie kann Powersharing intersektional gedacht und gestaltet werden, um reale Handlungsspielräume für migrantisch positionierte Frauen und Mädchen zu eröffnen? Wie wird intersektionales Powersharing in der Praxis betrieben? In diesem Beitrag wird intersektionales Powersharing aus einer reflektierenden, praxisorientierten Perspektive betrachtet. Ziel ist es hierbei gemeinsam zu überlegen, wie die Theorie Powersharing versteht und wie Powersharing in der Praxis erlebt wird. Welche Herausforderungen, Widersprüche und Chancen könnten hierbei in Frage kommen? Anhand der partizipativen Praxiserfahrungen wird diskutiert, wie intersektionales Powersharing sich in der Praxis widerspiegelt, ohne die zugrunde liegenden Machstrukturen zu ignorieren.

Heinrich, Gesine; Nitsch, Gülcan & Moczek, Nicola

Zukunft Naturschutz: Divers, inklusiv und gemeinsam erforschen und gestalten

Wie kann man das Verständnis von Diversität und Teilhabe erhöhen? Das Projekt „EcoUnity: Naturschutz für Alle – Inklusive Teilhabe mit Citizen Science erforschen“ (Jan 2025 – Dez 2026) untersucht mithilfe des Citizen-Science-Ansatzes die Engagementbereitschaft im Naturschutz von Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Fokus liegt in der Identifikation von möglichen Barrieren und Hürden, die ein freiwilliges Engagement erschweren oder verhindern.

Im Zentrum der Interviewstudie stehen Menschen, die ein Interesse an Naturschutz haben, sich bisher aber noch nicht engagieren. Sie werden von Citizen Scientists unterschiedlicher Herkünfte interviewt, welche unter anderem über Forschungswerkstätten und individuelle Austauschformate aktiv in alle Phasen des Projekts eingebunden werden.

Der Beitrag stellt erste Ergebnisse dieser Interviewstudie vor und reflektiert kritisch die Umsetzung des ko-kreativen Forschungsprozesses. Darüber hinaus werden erste Einblicke aus der praktischen Projektphase gegeben, in der – basierend auf den Studienergebnissen – unterschiedliche diversitätssensible Zugänge zu Naturschutzmaßnahmen entwickelt und erprobt werden.

Das Projekt wird im Rahmen eines Wissenschafts-Praxisverbunds zwischen dem Museum für Naturkunde Berlin und der Organisation Yeşil Çember durchgeführt. Eine weitere Ebene der Zusammenarbeit besteht in der gemeinsamen Planung und Umsetzung praktischer Naturschutzmaßnahmen mit Naturschutzorganisationen und Migrant*innenselbstorganisationen – auch diese Kooperationen werden im Beitrag kritisch reflektiert.

Welz, Miriam

Academic Saviorism: Fallstricke gut gemeinter Inklusion in partizipativen Formen der Wissenschaftskommunikation

Mit dem Konzept Academic Saviorism wird ein analytisches Instrument eingeführt, das Ambivalenzen von Inklusionsbemühungen in der Wissenschaftskommunikation sichtbar macht und besonders in partizipativen sowie transdisziplinären Forschungszusammenhängen Relevanz gewinnt. Academic Saviorism bezeichnet Inklusionspraktiken, die gut gemeint sind, aber primär symbolisch bleiben und epistemische Hierarchien verstärken. Es ermöglicht, symbolische Formen der Inklusion von transformativen Ansätzen zu unterscheiden und eröffnet Wege zu gerechtigkeitsorientierten Formaten.

Aufbauend auf Bourdieus Theorie von Habitus und Kapital, Archer et al.s Konzept des Science Capital sowie Teju Coles Kritik am White Savior Industrial Complex entsteht ein theoretischer Rahmen, der zentrale Mechanismen wohlmeinender, aber ausschließender Inklusion sichtbar macht. Unter Einbezug fachspezifischer Diskurse über Diversity, Equity, Inclusion and Accessibility (DEIA) in der Wissenschaftskommunikation zeigt die Analyse, wie sich Academic Saviorismin drei verflochtenen Erscheinungsformen manifestiert: (1) durch affektive Belastungen, die marginalisierte Personen beim Umgang mit subtilen Ausschlüssen und Mikroaggressionen in Kommunikationsräumen erfahren, die ihre Perspektiven nicht berücksichtigen; (2) durch normative Annahmen wissenschaftlicher Institutionen über Bedürfnisse und Beteiligungsweisen marginalisierter Gruppen; sowie (3) durch die performative Natur vieler Inklusionspraktiken, die primär institutioneller Selbstlegitimation dienen und keine substanzielle Mitgestaltung ermöglichen.

Der Beitrag plädiert dafür, Partizipation als reflexiven Prozess zu gestalten, der nicht an symbolischen Gesten verharrt, sondern Strukturen verändert, die echte Teilhabe bislang verhindern.

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