Thematische Session 5.1

Zöllter, Constanze; Augsten, Andrea; Opeskin, Lenard; Ibach, Merle & Peukert, Daniela

More than just play? Grenzen und Potenziale von Co-Design für die Integration heterogener Wissensbestände

Gegenwärtige Herausforderungen formulieren den Anspruch, akademische und nicht-akademische Wissensformen in Transformationsprozesse zu integrieren. Zeitgleich wächst die Sensibilisierung für diese heterogenen Wissensbestände und unterstreicht die Relevanz, marginalisierte Gruppen in ko-kreative und partizipative Wissensproduktionsprozesse einzubeziehen. Offen bleibt jedoch häufig: Wer ist involviert, und wer wird wie und an welchen Stellen im Forschungsprozess gehört?
Design- und Kreativmethoden wie Design Thinking, Rollenspiele oder Lego Serious Play haben bereits gezeigt, dass sie Praxiswissen, implizites Wissen und persönliche Erfahrungen sichtbar und hörbar machen können. Dadurch wird deren Integration in den Forschungsprozess erleichtert. Dabei treten zwei Herausforderungen auf: Einerseits werden Designmethoden häufig nur punktuell in Forschungsprojekten angewendet und adressieren häufig Sprache und Haptik. Andererseits ist die kontextuelle Sensibilität für die Umgebung, Ko-Akteur:innen und ihre Besonderheiten – besonders für marginalisierte Gruppen – häufig (noch) nicht gegeben. Gerade unter solchen Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie Designmethoden nicht nur als „Werkzeuge“ verstanden, sondern als Möglichkeitsräume zur Neugestaltung von Teilhabe und Erkenntnisproduktion und -integration genutzt werden können.
Ein zentrales Anliegen der Session ist es, das Potenzial – aber auch die Grenzen – designbasierter Herangehensweisen in transdisziplinären Kontexten praktisch zu diskutieren und zu reflektieren. Dafür möchten wir Beiträge vorstellen, die
methodisch-prozessuale Designmethoden in transdisziplinären Forschungsprozessen anwenden;
Designmethoden anwenden, um Wissensbestände von marginalisierten und /oder unterrepräsentierten Gruppen im transdisziplinären Forschungsprozess zu integrieren;
Designmethoden integrieren, um in Transformationsprozessen Raum für Aspekte wie Akzeptanz, Haltung, Emotionen und Wertevorstellungen zu schaffen.
Ergänzend dazu möchten wir darauf hinweisen, dass wir die Begriffe Co-Design, Ko-Kreation und Koproduktion im weiten Sinne verstehen. Diskriminierung kann dabei ebenso vielfältige Formen annehmen: Sie kann sich etwa auf ländlich-rurale Kontexte, demografische Faktoren, Gleichberechtigung oder auf digitale Exklusion beziehen.
Wir laden Forschende, Designer:innen, Praktiker:innen und Aktivist:innen ein, ihre methodischen Ansätze, Herausforderungen, Learnings und Reflexionen zu teilen. Ziel ist es, einen offenen Austausch zu ermöglichen, der nicht nur auf die Anwendung eingeht, sondern auch auf die Weiterentwicklung und kritische Auseinandersetzung mit Co-Design in partizipativen Settings diskutiert.

Abstracts

Ibach, Merle

Cultural Probes als Möglichkeitsräume: Alltagswissen, Werte und Teilhabe in ko-produktiven Forschungsprozessen

Im Rahmen des Forschungsprojekts Shaping Baukultur erproben wir Cultural Probes als designbasierte Methode zur partizipativen Wissensproduktion im Kontext räumlicher Transformationsprozesse. Die Gestaltung und Anwendung dieser offenen, oft spielerischen Artefakte ermöglicht es, implizites Wissen, emotionale Bezüge und wertebasierte Perspektiven von Bürger:innen sichtbar und erfahrbar zu machen – insbesondere von Gruppen, deren Stimmen im Planungsdiskurs häufig marginalisiert bleiben.

Cultural Probes öffnen Möglichkeitsräume, in denen klassische Machtasymmetrien in Forschungsprozessen hinterfragt und neue Formen des Zuhörens, Interpretierens und (Nicht-)Sprechens erprobt werden können. Zugleich stellen sie Anforderungen an die forschende Praxis: Wer wird eingeladen, wie wird das gesammelte Material gelesen, und wessen Deutung erhält Geltung?

Unser Beitrag reflektiert anhand von Fallstudien aus der Schweiz, wie Probes über den punktuellen Methodeneinsatz hinaus als kontextsensibles Werkzeug zur Gestaltung ko-produktiver Forschungsprozesse eingesetzt werden können. Wir diskutieren sowohl Potenziale als auch Grenzen – etwa die Gefahr der Ästhetisierung oder die Herausforderung, aus vieldeutigen Materialien handlungsleitende Erkenntnisse zu generieren.

Damit möchten wir zur Diskussion beitragen, wie Designmethoden nicht nur als Werkzeuge, sondern als transdisziplinäre Möglichkeitsräume für gerechtere Wissensintegration und transformative Teilhabe gedacht und weiterentwickelt werden können.

Opeskin, Lenard

Prototypen als Boundary Objects? Potenziale von LEGO®SeriousPlay® für transdisziplinäre Co-Design-Prozesse

Transdisziplinäre und partizipative Forschungsprojekte nutzen bereits Prototyping-Praktiken wie LEGO®SeriousPlay®, um heterogene Wissensbestände aus Wissenschaft und Gesellschaft zu verknüpfen. Die Prototypen sollen dabei als sogenannte Boundary Objects (dt. Grenzobjekte nach Star & Griesemer, 1989) fungieren, an denen Informationen geteilt und Interessenskonflikte überwunden werden. Das Konzept der Boundary Objects findet auch in der Designforschung bereits Verwendung, jedoch ist unklar, wie Prototypen im Detail als Boundary Objects und somit als Mediatoren zwischen Akteur:innen fungieren. Der Fachvortrag adressiert diese Lücke und stellt eine qualitative Untersuchung zur Frage vor, wie LEGO®SeriousPlay®in Co-Design-Workshops als Boundary Object fungiert. Hierzu wurden Videos von fünf Gruppen analysiert, die in transdisziplinären Workshops zu urbanen Transformationsthemen (Mobilität, Biodiversität, Urban Farming) mit LEGO®SeriousPlay® Zukunftsvisionen erarbeitet haben. Anhand interpretativer Videographie (Tuma, 2013) wurde untersucht, wie LEGO®-Prototypen das Überbrücken von syntaktischen, semantischen und pragmatischen Wissensgrenzen ermöglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich LEGO®SeriousPlay® nur bedingt dafür eignet, Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln. Die Prototypen förderten aber fokussierte Diskussionen und Perspektivwechsel unter den Teilnehmenden und erleichterten ihnen entsprechend, ein geteiltes Problemverständnis zu erarbeiten. Der Fachvortrag endet mit konkreten Vorschlägen für Anwendungsmöglichkeiten sowie Adaptionen der Methode, die Zuhörende in ihre eigene Forschung übertragen können.

Karrenbrock, Anne & Hens, Klara

Becoming Brave Enough – Chorische Improvisation als Rehearsal für Co-Creation Literacy

Wie trägt Co-Design dazu bei, affektives, verkörpertes und situiertes Wissen in transdisziplinären Prozessen sichtbar zu machen? Der Beitrag stellt „Practice for the Future“ vor, einen Workshop, der Designmethoden mit chorischer Improvisation verbindet, um eine Co-Creation Literacy zu kultivieren: die Fähigkeit, sich im Ungewissen auf andere einzulassen, zu führen und zu folgen, zu übersetzen und zu verweigern.
Anhand von Rollen, Gesten und relationalem Scaffolding wurde in zwei unterschiedlichen Workshop-Settings ein Raum geschaffen, in dem Teilnehmende implizite Dynamiken partizipativer Gestaltung explorieren konnten. Dabei rückte nicht die Gestaltung eines Artefakts in den Vordergrund, sondern das gemeinsame Gestalten und Erproben von Teilhabe als relationaler, emotionaler und politischer Praxis.
Der Beitrag diskutiert, wie gestalterische Praxis als Rehearsal für demokratische, transformierende Prozesse verstanden werden kann und wie Designmethoden in ihrer performativen, sensiblen und affektiven Dimension weiterentwickelt werden können.

Kaiser, Rouven

PlayAlong: Transformativ durch reflexive, spielbasierte Prozessbegleitung

Die Session „More than just play?“ fragt danach, wie Co-Design-Formate heterogene Wissensbestände nicht nur sammeln, sondern in ihrem Entstehungsprozess sichtbar und fruchtbar machen können. Der PlayAlong-Ansatz geht hier einen Schritt weiter, indem er spiel-basierte Interventionen mit reflexiver Prozessbegleitung verknüpft. Im Zentrum steht ein methodisches Setting, in dem Teilnehmende nicht nur spielerische Szenarien durchlaufen, sondern in Echtzeit durch dialogische Impulse und moderierte Reflexionen ihre Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse bewusst erleben und dokumentieren. Auf diese Weise werden implizite Perspektiven marginalisierter Gruppen nicht nachträglich ergänzt, sondern situativ ins Spielgeschehen integriert.
Während klassische Co-Design-Workshops häufig punktuelle Designartefakte hervorrufen, schafft PlayAlong einen prozessorientierten und dichten Rahmen, der Transparenz für Macht- und Wissensasymmetrien generiert und sichtbar macht. Beobachtungsprotokolle, Interventionen in Spielszenen und reflexive Gesprächsführung bilden ein kohärentes Datenfundament, das qualitativ-prozessanalytisch ausgewertet wird. Erste Anwendungen belegen, dass PlayAlong nicht nur neue Deutungsmuster hervorbringt, sondern auch unmittelbare Handlungsoptionen für partizipative Forschungsdesigns aufzeigt.
Der Beitrag verknüpft damit direkt die Session-Forderung nach innovativen Co-Design-Methoden und demonstriert, wie durch situierte Dialoge im Spielverlauf Wissensbestände nicht nur repräsentiert, sondern gemeinsam weiterentwickelt werden können. So eröffnet PlayAlong einen transformativen Möglichkeitsraum, der über „nur Spielen“ hinausgeht und Co-Design als dynamischen Erkenntnisprozess versteht.

Brändle, Rolf

Prototyp des kleinsten gemeinsamen Nenners – Exploration von Zielkonflikten und Narrativen der Energiewende durch gestalterischer Modellpraktiken

Wie lassen sich entwerferische Modellpraktiken nutzen um in Co-Design Prozessen Zielkonflikte und Narrative der Energiewende aufzuzeigen?
Während die Energiewende technisch umsetzbar wäre, hemmen im Konkreten oft unterschiedliche Vorstellungen und Kommunikationsformen eine rasche Umsetzung. Ebenso bleiben manche Gruppen außen vor, fühlen sich nicht gehört oder eine Vermittlung ist durch die zunehmende Polarisierung schwierig.
Das Projekt bewegt sich auf zwei Ebenen:
Auf der inhaltlichen Ebene werden durch Tüfteln und Arbeiten am Material gemeinsam mit Workshop-Teilnehmenden Vorstellungen der Energiewende ausgehandelt. Ein einfaches, physisches Modell bildet die Nord-Süd-Achse Deutschlands sowie unterschiedliche Wohnformen und Infrastrukturen ab. Die Transformation beginnt – wie in der Realität – nicht bei null, und die Teilnehmenden verändern das Modell nach ihren Vorstellungen. Dabei prallen verschiedene Sichtweisen aufeinander, sodass Zielkonflikte sichtbar werden. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Workshop-Modell lässt bewusst Interpretationsspielräume und senkt die Hemmschwelle zum Mitgestalten.
Auf der anderen Seite wird erprobt, welche Rolle gestalterische Modellpraktiken methodisch in transdisziplinären und partizipativen Prozessen spielen können. Dabei werden Aspekte wie Materialitäten, Wissensformen, Abstraktion und Repräsentation reflektiert.
An den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu anderen modellhaften Praktiken z.B. Digitalen Zwillingen, Reallaboren oder Prozessmodellen, werden die Grenzen und Eigenheiten gestalterischer Modellpraktiken untersucht.
Das Projekt soll somit die Rolle von Designer*innen mit ihren Modellpraktiken in partizipativen Nachhaltigkeitsforschungsprozessen stärken.

Fischer, Lea

Transdisziplinär forschen in und mit Kommunalverwaltungen – ein (plan-)spielerischer Ansatz

In einem Planspiel können Forschungsteilnehmende gemeinsam mit Wissenschaftler*innen ihre mentalen Modelle zu einem Thema erproben und gemeinsam reflektieren. Die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen sind unmittelbar erlebbar und Gruppendynamiken werden sichtbar. Deshalb eignet es sich besonders gut als Impuls zur Organisationsentwicklung.

Im Rahmen meiner Dissertation habe ich ein Planspiel entwickelt und eingesetzt, in dem Mitglieder von Kommunalverwaltungen sich mit ihren Annahmen und Handlungslogiken bei der Bürgerbeteiligung in der räumlichen Planung auseinandersetzen. Die Teilnehmenden durchlaufen verschiedene Stadien eines fiktiven Beteiligungsprozesses und müssen entscheiden, wie sie den Umgang mit Bürger:innen jeweils gestalten (würden).

Im Lightning Talk werfe ich Schlaglichter auf die Gruppendynamiken und Wirkungen des Planspieleinsatzes. Wie griffen Simulation und Reflexion ineinander? Wie waren die Rollen zwischen Forscherin und Verwaltungsmitarbeitenden verteilt – und wie die Zielvorstellungen? Und nicht zuletzt: Was bedeuten diese verwaltungsinternen Planspielerfahrungen nun für Bürger:innen und ihre Beteiligung in der Stadtentwicklung?

Kögler, Annica

Eine Beleuchtung von Zusammenarbeit und Kapazitätsaufbau an Hand von zehn Transformationsexperimenten

Anhand eines Vergleichs von zehn transdisziplinären Transformationsexperimenten sehen wir deutlich: Kapazitätsaufbau (wie Wissen, Fähigkeiten, Teilhabe an Netzwerken) als Ergebnis co-creativer Prozesse verteilt sich erwartungsgemäß nicht gleichmäßig auf alle am Prozess beteiligten. Vielmehr mutet es an, dass für die Entwicklung von co-creativen Lösungen bereits systematisch dominierende Ressourcen genutzt und ergänzt werden und dass Teilnehmende dafür auf etablierte Zusammenarbeit mit den üblichen Verdächtigen setzen. Dies ist einerseits positiv zu bewerten, da es eine Veränderung auf der sog. Regime-Ebene (Geels, 2002) braucht, die dadurch adressiert wird. Andererseits bleiben innovative Potenziale des Kapazitätsaufbaus und Empowerments von strukturellen Randfiguren auf der Strecke. Wir konnten aber auch feststellen, dass manche Experimente eine breitere Streuung an Kapazitätsaufbau zum Ergebnis hatten. Bildlich gesprochen, streuten jene von einem etablierten Ressourcenpool ausgehend auf weitere Akteure, mit weniger sichtbaren Ressourcen. Wir bewerten die Streuung von Zusammenarbeit als ein Merkmal co-creativer Qualität (Chambers et al. 2021). Einen (kurzen) qualitativen Blick in spieltheoretisches Wissen werfend, widmen wir uns der Betrachtung von Gangarten der Zusammenarbeit, um dies als mögliche Inspiration für die transdisziplinäre partizipative Forschung anzudiskutieren.

Popplow, Laura & Karrenbrock, Anne

Holding Space for Transformative Learning – Co-Design als Möglichkeitsraum für plurales Wissen

In unserem Beitrag reflektieren wir die Wirkung von Participatory Design (PD) als Möglichkeitsraum für plurales Wissen in transdisziplinären Forschungsprozessen, insbesondere dort, wo marginalisierte Perspektiven eingebunden und epistemische Differenzen produktiv gemacht werden sollen. Ausgehend von einem dreijährigen Forschungsprojekt zur Energiewende in Deutschland stellen wir das Konzept des „Holding Space” in den Mittelpunkt: eine relationale, situierte Praxis, in der Participatory Designer*innen Räume eröffnen, in denen sich die Beteiligten sicher, gehört und eingeladen fühlen, ohne manipuliert oder vereinnahmt zu werden.

Wir identifizieren fünf zentrale Praktiken, die solche Prozesse ermöglichen:
• Förderung pluralistischer Wissensbildung und Neudefinition von Expertise,
• Einführung und Übersetzung von (Boundary) Concepts,
• Iteration von Prototypen,
• (Neu-)Ausrichtung von Prozessdesign und Methoden,
• Delegation von Rollen und Förderung der Co-Creation-Kompetenz.
Damit rücken wir die oft unsichtbare „Backstage-Arbeit“ in den Fokus, die notwendig ist, um transformative Lernprozesse im Spannungsfeld von Disziplinen, Institutionen und Lebensrealitäten zu ermöglichen. Wir verstehen Co-Design nicht als Methode, sondern als infrastrukturelle Praxis, die Beteiligung situativ absichert, onto-epistemische Öffnungen ermöglicht und Verantwortung für Bedingungen kollektiver Erkenntnis übernimmt.

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