Leipziger KUBUS | Saal 1D
Zeit:
Donnerstag, 13.11.2025
09:00 – 10:30 Uhr
Thematische Session 3.4
von Peter, Sebastian & Zimmerer, Céline
Nebenwirkungen und Wirkungen von kollaborativer Forschung im Feld Mental Health
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Vorträge
von Peter, Sebastian & Ziegenhagen, Jenny
Ist Kollaboration möglich? Ein kritischer Dialog
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Spiewok, Imada
Interaktionelle Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Diskriminierungserfahrungen
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Werner, Elise; van Altena, Laura & Winandy, Chantal
Kooperationen im ländlichen Raum stärken – Mit sozialwissenschaftlicher Co-Forschung gemeinsam Engagement für Klima und Nachhaltigkeit gestalten
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Krumpholz, Annette
„Fachärzte in der Psychotherapie!?“
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Zimmerer, Céline
Unterschiedliche Rollen unter einen Hut kriegen: zwischen wissenschaftlicher Kompetenz und Erfahrungsexpertise
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Thematische Session 3.4
von Peter, Sebastian & Zimmerer, Céline
Nebenwirkungen und Wirkungen von kollaborativer Forschung im Feld Mental Health
International spielt die Beteiligung und Partizipation von Nutzer*innen von Gesundheitsleistungen zunehmend eine Rolle. Im Forschungsfeld Mental Health kommen häufiger kollaborative Ansätze zum Einsatz, um die forschende Zusammenarbeit von Personen mit und ohne sogen. Erfahrungsexpertise, hervorgehend aus meist kollektiv reflektierten Behandlungs- und Marginalisierungserfahrungen zu beschreiben. Die spezifischen Erfahrungen, Kompetenzen und Perspektiven der an dieser Forschung beteiligten Erfahrungsexpert*innen werden als wertvolle Wissensquellen verstanden, die sowohl Forschungsergebnisse als auch -praktiken stark bereichern können. Gleichzeitig bringt die Initiierung, Umsetzung und Verstetigung von kollaborativer Forschung einige Herausforderungen mit sich, da sich die beteiligten Forschungspartner*innen in der Regel in Bezug auf Erfahrungen, Ressourcen, Wissen, Perspektiven, Privilegien, Macht und Positionen erheblich unterscheiden.
Das vorliegende Symposium greift einige dieser methodologischen, epistemischen und prozessualen Gewinne und Herausforderungen kollaborativer Forschung im Feld Mental Health auf und diskutiert Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung sowie die dafür notwendigen menschlichen, forschungspolitischen und -infrastrukturelle Voraussetzungen.
Abstracts
von Peter, Sebastian & Ziegenhagen, Jenny
Ist Kollaboration möglich? Ein kritischer Dialog
Mitarbeiter*innen kollaborativer Forschungsteams im Feld der psychischen Gesundheit bringen oft stark voneinander abweichende Perspektiven und Positionen ein. Sie verfügen über unterschiedliche soziale, materielle und gesundheitliche Möglichkeiten, bauen auf divergierenden Wissensbeständen, Erfahrungen mit Forschung und Kompetenzen auf und haben mit dem Versorgungssystem oft stark voneinander abweichende Erfahrungen gemacht. Im Beitrag soll die Frage verfolgt werden, wie mit diesen Unterschieden in kollaborativen Forschungsteams umgegangen werden kann. Welche individuellen Strategien, organisatorischen Ressourcen und Kontextbedingungen sind dafür notwendig, damit diese Arbeit gelingen kann? Dabei werden sowohl interaktionelle und prozessuale Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten auf der Ebene von Forschungsteams reflektiert als auch Fragen der forschungspolitischen und -infrastrukturellen Voraussetzungen für kollaborative Forschung. Da die kollaborative Zusammenarbeit im Zentrum des Vortrags steht, wird der Vortrag in dialogischer Form durch zwei Forschende – einer mit und eine ohne eigene Erfahrungen mit der psychiatrischen Versorgung – des Co-Lab psychische Gesundheiten* der Medizinischen Hochschule Brandenburg gehalten.
Spiewok, Imada
Interaktionelle Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Diskriminierungserfahrungen
In der Zusammenarbeit zwischen Menschen mit und ohne Diskriminierungserfahrungen – ein zentraler Aspekt partizipativer Forschung – treten häufig interaktionelle Schwierigkeiten auf, die u. a. auf unterschiedliche soziale Positionierungen und Wahrnehmungen zurückzuführen sind. Menschen mit Diskriminierungserfahrungen bringen oft ein geschärftes Bewusstsein für Macht- und Ungleichverhältnisse mit. Personen ohne solche Erfahrungen unterschätzen hingegen mitunter die Bedeutung struktureller Ungleichheiten oder reagieren defensiv, wenn diese thematisiert werden. Diese Asymmetrie kann zu Missverständnissen und Spannungen führen – besonders dann, wenn Betroffene auf problematische Situationen hinweisen und auf Abwehr oder Bagatellisierung stoßen.
Solche Dynamiken lassen sich auch als Formen epistemischer Ungerechtigkeit beschreiben: etwa als testimoniale Ungerechtigkeit, bei der das Erfahrungswissen marginalisierter Personen aufgrund von Vorurteilen weniger ernst genommen wird, oder als hermeneutische Ungerechtigkeit, wenn Begriffe oder gesellschaftliches Wissen fehlen, damit bestimmte Erfahrungen – wie z.B. intersektionale Diskriminierung – überhaupt von anderen verstanden werden. In der Folge bleibt relevantes Wissen ungenutzt, und die Zusammenarbeit wird erheblich erschwert. Hier soll es um das Erkennen dieser Dynamiken und mögliche Ressourcen für die Zusammenarbeit gehen.
Werner, Elise; van Altena, Laura & Winandy, Chantal
Kooperationen im ländlichen Raum stärken – Mit sozialwissenschaftlicher Co-Forschung gemeinsam Engagement für Klima und Nachhaltigkeit gestalten
Der ländliche Raum steht vor vielen Herausforderungen. Insbesondere strukturelle Benachteiligungen, politischen Umbrüche und der demografische Wandel erschweren die Entwicklung von Nachhaltigkeitsinitiativen und Engagement für Klima und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Projektregion Prignitz. Das sozialwissenschaftliche Citizen-Science-Projekt „KLUB – Klima und Umwelt sozialwissenschaftlich beforschen“, aktiv seit 2023, bietet wertvolle Erkenntnisse darüber, wie partizipative und transdisziplinäre Forschung diese Barrieren überwinden kann. Der Vortrag beleuchtet innovative Ansätze gemeinsamer Wissensproduktion und diskutiert sowohl Potenziale als auch die Grenzen dieser Methoden. Praktische Beispiele aus einer Aktionskunstkampagne für und mit Jugendlichen und der Themenreihe „Miteinander in Verbindung“ veranschaulichen gemeinsame Forschungsfelder. Besondere Merkmale der kooperativen Forschung mit der Zivilgesellschaft werden sichtbar gemacht und Gelingensbedingungen für erfolgreiche Kooperationen aufgezeigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle von Kooperationsformen und Netzwerkbildungsprozessen, die für die effektive Umsetzung von Co-Forschung entscheidend sind. Der Vortrag bietet Einblicke in die bisherigen Projekterfahrungen und zentrale Erkenntnisse, die als Inspirationsquelle für diejenigen dienen, die im ländlichen Raum aktiv werden möchten.
Krumpholz, Annette
"Fachärzte in der Psychotherapie!?"
Die Prävalenz psychischer Erkrankungen in Deutschland ist seit mehreren Jahren stetig gestiegen, insbesondere unter Jugendlichen. Ambulante Psychotherapieplätze sind knapp, Plätze in Fachkliniken ebenso. Vor den Hintergrund dieser Last wird es umso wichtiger, dass die psychotherapeutische Versorgung so gestaltet wird, dass sie möglichst effektiv möglichst vielen Betroffenen hilft. Traditionell ist sie in Deutschland im ambulanten Bereich nach ihrem Verfahrensansatz in Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie, Analyse und systemische Therapie unterteilt. Dass Psychotherapie hilft, ist unumstritten. Was sie wirksam macht ist jedoch komplex, und weiterhin teils ungeklärt.
Ambulant sind komplexe psychiatrische Störungsbilder unterversorgt: es fehlt sowohl an Fachkompetenz als an Erfahrung. Auch stationär bleibt es eine Herausforderung, Arbeit auf der Verhaltensebene erfolgreich mit tiefenpsychologischer Arbeit an zugrundeliegenden Konflikten der Störungen zu verbinden, die Autonomie von Patienten zu wahren, und das Gesamtpaket so zu gestalten, dass es langfristig wirkt. Patient*innen zeigen ein differenziertes, selbstkritisches Bewusstsein über die Komplexität ihrer Situationen. Umso wichtiger ist es, diese Erfahrungen, insb. negative, zu erfassen, und Therapiekonzepte darum zu erweitern – insb. bei „schwer zugänglichen“ Störungsbildern wie posttraumatischen Belastungsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder Essstörungen. Zudem könnten partizipative Ansätze so helfen, eine ‚Facharzt-Weiterbildung‘ für Psychotherapeuten – über die generalisierte Ausbildung hinaus – zu entwickeln, um die Versorgungslücke komplexer Störungsbilder zu verringern.
Zimmerer, Céline
Unterschiedliche Rollen unter einen Hut kriegen: zwischen wissenschaftlicher Kompetenz und Erfahrungsexpertise
Wird man durch eigene Betroffenheit automatisch zum:zur Expert:in für die eigene psychische Erkrankung sowie Stigmatisierung? Welche Erfahrungsexpert:innen bekommen überhaupt die Möglichkeit, sich in der Forschung einzubringen und ist das gerecht? Was macht es mit dem eigenen psychischen Wohlbefinden, wenn man partizipativ forscht?
Partizipativ Forschende erfahren oft eine doppelte Belastung, dadurch dass sie ihre Erfahrungsexpertise einbringen und gleichzeitig wissenschaftliche Mitarbeiter:innen sind. In diesem Fachvortrag soll es darum gehen, wie diese beiden Rollen miteinander in Einklang gebracht werden können und was es für die psychische Gesundheit bedeutet, wenn dieser Prozess nicht vorausschauend reflektiert und eingeordnet wird. Anhand konkreter Beispiele, wie der partizipativen Antragsstellung, wird auf persönlicher Ebene illustriert, welches Potenzial und welche Fallstricke der Vortragenden auf diesem Weg begegnet sind und immer noch begegnen.
