Abstracts

Rehak, Rainer

Participation through Civic Tech? Lessons-learned from failed bottom-up projects

Viele digitale Technologien (wie Plattformen, KI usw.) und soziotechnische Praktiken (wie z.B. Civic Tech) sind mit starken Partizipationsversprechen verbunden, sowohl im politischen als auch im akademischen Diskurs. Allerdings erzeugen diese Bemühungen oft nicht den versprochenen partizipatorischen Impuls, was Fragen nach Faktoren für Erfolg oder Misserfolg aufwirft. Durch konzeptionelle und empirische Forschung, die in mehreren Workshops zusammengetragen wurde, haben wir erarbeitet, welche Civic-Tech-Projecte in welchen Kontexten oft nicht erfolgreich sind und welche Voraussetzungen andererseits erfüllt sein müssen, um die versprochenen Potenziale zu realisieren. Wir fanden drei Hauptgründe für partizipatives Scheitern: 1) Überzogene Erwartungen, die auf Marketingversprechen basieren, werden oft wörtlich genommen und dann natürlich nicht erfüllt; Gründe dafür sind das fehlende sozio-technische Verständnis oder die Missachtung technischer Grenzen. 2) Der starke Rückgriff auf Ehrenamt und fehlende Anschlussfinanzierung (nach Forschungsgeldern oder anderen Anschubfinanzierungen) lassen bei vielen digitalen Projekten einen dauerhaften Betrieb nicht zu. Die meisten Projekte im öffentlichen Interesse haben einfach keinen Geschäftsmodell. 3) Verwaltungen sind oft nicht in der Lage, die Ergebnisse partizipativer Prozesse zu verarbeiten, erfolgreiche Projekte können nicht internalisiert werden, weil kein ausreichendes Personal, Zeit, Ressourcen, Fähigkeiten oder Bereitschaft vorhanden sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine digitale Technologie an sich keine partizipative Wirkungen entfalten kann, wenn die nötigen nicht-technischen Rahmenbedingungen nicht gewährleistet sind. Daraus folgt, das digitale Partizipationsansätze nicht als „kaufbare Technologie“ gesehen werden dürfen, sondern als sozio-technische Prozesse, die aufwändig gestaltet, eingebettet und finanziert werden müssen. Dieser Beitrag ist angesiedelt an der Schnittstelle von kritischem Technologiedesign, Partizipationsforschung, Civic-Tech-Forschung und kritischer Informatik.

Seidl, Roman; Drögemüller, Cord; Walther, Clemens; Krütli, Pius

Öffnung der Forschung im Bereich der Entsorgung nuklearer Abfälle: Chancen und Herausforderungen einer Bürgerarbeitsgruppe

Die Entsorgung nuklearer Abfälle in Deutschland stellt eine erhebliche gesellschaftliche Herausforderung dar, die über den Bereich technischer Expertise hinausgeht. Vier Jahre lang haben wir im Rahmen des Projects TRANSENS mit einer ständigen Gruppe von Bürgern zu verschiedenen Themen der Entsorgung zusammengearbeitet. Der transdisziplinäre Prozess wurde von Sozialwissenschaftlern durch teilnehmende Beobachtung, Feedback-Befragungen und Interviews erfasst und analysiert. Diese „Arbeitsgruppe Bevölkerung“ (AGBe) wurde in einem umfangreichen und mehrstufigen Verfahren deutschlandweit rekrutiert. Die AGBe besteht aus vierzehn Personen, die mittels Workshops und Projekttreffen direkt am Forschungsprozess beteiligt sind. Wir berichten über Rekrutierung und Erfahrungen bei der Forschungsarbeit mit dieser Gruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kooperation das Vertrauen in Wissenschaftler und wissenschaftliche Methoden und Ansätze gestärkt hat: Die Zusammenarbeit war durch eine entspannte Atmosphäre, Respekt, Offenheit und Wertschätzung gekennzeichnet. In ihrer Funktion als ‚extended peer group‘ hat sie vielfältigen (Außensicht-)Input zu relevanten Themen gegeben, z.B. zu verschiedenen Konzeptionen der Nahfeldüberwachung eines geologischen Tiefenlagers sowie zu Optionen der Rückholbarkeit eingelagerter Abfälle. Die Beiträge der AGBe führten durch das Aufzeigen von Wertefragen einerseits zu veränderten Ansichten mancher Forscher und andererseits auch zur Setzung neuer Themen. Bei spezifischen wissenschaftlichen Forschungsfragen war der Innovations- und Erkenntnisgewinn durch den Input der AGBe eher gering. Wir schlussfolgern, dass der Einbezug einer Gruppe von zufällig ausgewählten Bürgerinnen – wenn richtig eingesetzt – die Forschung bereichern und umgekehrt die Bürger befähigen kann, über ein schwieriges Thema sprechfähig zu werden. Zudem hilft ein solcher Ansatz das Vertrauen in die akademische Arbeit zu erhöhen und gibt Ideen, wie die Entsorgungsforschung in Zukunft gestaltet werden kann.

Heidingsfelder, Marie Lena; Breuer, Johannes; Maier, Moritz

Design for RRI – Einsatz und Nutzen designbasierter Methoden zur Diskussion ethischer Fragen in der Entwicklung und Regulierung von Neurotechnologien

Innovationen im Bereich der Neurotechnologien werfen komplexe und vielschichtige ethische Fragen auf, in deren Beantwortung eine Vielzahl von Interessensgruppen einbezogen werden müssen: Patient:innen, (klinische) Behandlungsanbieter:innen, Wissenschaftler:innen, Ingenieur:innen verschiedener Fachrichtungen, Vertreter:innen der Industrie und in einigen Bereichen auch DIY-Communities. Die verschiedenen Gruppen haben jedoch ein unterschiedliches Maß an Wissen und Erfahrung, sowohl in Bezug auf technische Möglichkeiten und Grenzen als auch in Bezug auf soziale und ethische Implikationen von Neurotechnologien. Daher sind maßgeschneiderte Methoden erforderlich, um die jeweiligen Perspektiven und ethischen Bedenken zu ermitteln. In unserem Vortrag möchten wir anhand eines Projektes praktische, designbasierte Methoden zur Erhebung ethischer Fragen im Bereich der Neurotechnologie vorstellen – unter anderem User Journeys, Persona-Ansätze, Material Thinking, Szenarienbildung und fiktive Medienbeiträge. In der Reflexion der genutzten Methoden gehen wir insbesondere darauf ein, wie die Beteiligten empowert werden können und wie ihre unterschiedlichen Wissensbestände zusammengeführt werden können. Ein zweiter Schwerpunkt der Reflexion stellt das Vorgehen im Design der Workshops sowie die gewählten Methoden ins Zentrum. Partizipative Workshops mit designbasierten Methoden sollen die verschiedenen Lebenswelten und Perspektiven der Teilnehmer:innen aufnehmen, daher müssen sie vorab so konzipiert werden, dass sie möglichst zugänglich sind, ohne auf ein (vorab) bestimmtes Ergebnis hinzuführen. Zudem liefern diese Workshops keine eindeutigen und diskreten Ergebnisse (wie dies bei quantitativen wissenschaftlichen Experimenten der Fall ist), sondern die dort entstandenen Artefakte und Informationen müssen analysiert und interpretiert werden. Im Projekt beteiligte Designer:innen und Sozialwissenschaftler:innen stehen daher bei der Konzeption, der Durchführung und der Auswertung partizipativer Workshops vor methodischen und ethischen Fragen, die wir im Beitrag diskutieren wollen.

Droste-Franke, Bert

Reflexion partizipativer Ansätze rationaler Technikfolgenabschätzung zur Ableitung von Qualitätskriterien für transdisziplinäre Forschung

In der technisch-ethisch basierten „rationalen Technikfolgenabschätzung“ (rationale TA) geht es darum, Methoden und Instrumente zu erarbeiten und anzuwenden, mit denen deliberative Diskurse zur Gestaltung von Technologien unterstützt werden können. Aus den theoretischen Grundlagen zu dem Ansatz und den Bedarfen in der Politikberatung wurden im Rahmen einer interdisziplinären Expertengruppe Empfehlungen zur Weiterentwicklung der genutzten Methoden und Instrumente erarbeitet (Droste-Franke et al. 2015), die mittlerweile in diversen Projekten in verschiedenen inhaltlichen Bereichen erfolgreich angewandt wurden. Aus ihm ergeben sich eine Reihe von Aspekten, die für die Ableitung von Leitlinien und Qualitätskriterien genutzt werden können, um eine epistemisch und sozial robuste Politikberatung zu gewährleisten. Im Vortrag werden zunächst Einblicke in den Ansatz und die Anwendungsfelder der Technikfolgenabschätzung (TA) gegeben, bevor die Grundlagen der rationalen TA vorgestellt und diskutiert werden. Des Weiteren werden Ziel und Herausforderungen der epistemisch und sozial robusten Politikberatung vorgestellt und im Hinblick auf Qualitätskriterien für partizipative Prozesse analysiert (vgl. Droste-Franke et al. 2015). Anhand von system-theoretischen Ansätzen zur Gestaltung (Droste-Franke 2015) und Beispielen für die Umsetzung partizipativer Elemente in BMBF, BMWK und DLR-Projekten, werden u.a. Forschungsziele, Zielgruppen, Auswahl von Praktikern und ihre Integration, sichtbare Mehrwerte, Analysemethoden/-instrumente, Visualisierung von Ergebnissen und Wirkungen thematisiert und Beiträge zur Integration verschiedenen Wissens und zum Empowerment diskutiert. Unter anderem lassen sich aus den Betrachtungen auch Maßnahmen zur Verringerung von Wissenschaftsskepsis ableiten. Im Fazit werden aus den Analysen Qualitätskriterien aufgestellt, die in Leitlinien für die partizipative Forschung zur Politikberatung eingehen können.

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