Thematische Session 1.5

Kirschke, Sabrina; Avellán, Tamara & Kosow, Hannah

Partizipative Ansätze zur Gestaltung des Science-Policy Interface - Erfahrungen und offene Fragen aus der Wasserforschung

Der Schutz des qualitativen und quantitativen Status von Wasserressourcen steht in vielen Regionen der Welt zunehmend im Fokus der Aufmerksamkeit, um soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele wie die Produktion von Nahrungsmitteln, die Bereitstellung von Energie und den Schutz der Artenvielfalt zu gewährleisten. Um dieser komplexen Herausforderung zu begegnen, werden in der Forschung verstärkt partizipative Ansätze angewendet. Ziel dieser Ansätze ist es, gemeinsam politikrelevantes Wissen zu generieren oder Wissen von der Forschung in die politische Praxis zu übertragen. Dabei wurden in den letzten Jahren verschiedene partizipative Formate entwickelt und genutzt, darunter partizipative Wissenschaftskommunikation, Bürgerwissenschaften und transdisziplinäre Forschung. Unklar bleibt dabei jedoch, welche spezifischen Wirkmechanismen diese verschiedenen partizipativen Ansätze haben.
Diese Session zielt darauf ab, die Effekte von partizipativer Wissenschaftskommunikation, Bürgerwissenschaften und transdisziplinärer Forschung auf politische Prozesse mit Bezug zum Themenfeld Wasser besser zu verstehen und zu vergleichen. Leitfragen sind:
1. Welche Probleme adressieren die jeweiligen partizipativen Ansätze (z.B. mehr oder weniger komplexe Probleme wie Wassermenge statt Wasserqualität, Einzugsgebiete mit oder ohne transnationalen Bezug, etc.)?
2. Welche Akteursgruppen aus dem akademischen und politisch-administrativen System sind in den jeweiligen Ansätzen vertreten (z.B. Akteure verschiedener hierarchischer Ebenen, regionaler Skalen, oder systemischer Problemansätze wie Wasserdiplomatie, WEF Nexus, IWRM, etc.)?
3. Auf welche Phasen des politischen Prozesses fokussieren die jeweiligen Ansätze( vom Agendasetting und dem Design von Politikmixen hin zur Implementierung von Politik und der jeweiligen Evaluierung des Designs und/oder Implementierung)?
4. Welche inter- bzw. transdisziplinären Methoden und Tools werden jeweils für welche Art der Problemstellung, Akteursgruppe und/oder politischen Prozess angewandt? Und wie ist der Erfahrungswert für deren Erfolg?
Nach einer kurzen Einführung der Session-Chairs laden wir Vertreter:innen der verschiedenen Partizipationsansätze aus Forschung und Praxis ein, diese Leitfragen zu diskutieren. Dazu sollen jeweils Inputstatements zu den Leitfragen präsentiert werden, die im Anschluss gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert werden. Begleitend dazu werden Poster aufgenommen, die das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik aufgreifen und zur vertieften Diskussion nach der Session einladen.
Im Ergebnis zeigt die Session die Vielfältigkeit partizipativer Ansätze für ein Science-Policy Interface zur Adressierung komplexer, wasserbezogener Umweltprobleme auf. Diese Ergebnisse werden in inter- und supranationale Prozesse zur Eruierung von best practices in der Gestaltung des Science-Policy Interface eingebracht und genutzt.

Abstracts

Graupner, Johannes & Tittmann, Angelina

Wissensaustausch in der Wasser- und Gewässerpolitik: Chancen, Herausforderungen und Grenzen

Johannes Graupner | Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) | Germany
Angelina Tittmann | Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) | Germany

Das Konfliktpotenzial in der Wasser- und Gewässerpolitik nimmt im Zuge von Klimawandel und steigendem Nutzungsinteresse zu. Dies betrifft unterschiedliche Interessen zwischen Schutz und Nutzung, aber auch Konkurrenzen zwischen unterschiedlichen Nutzungsformen.

Eine große Herausforderung besteht darin, dass das Politikfeld Wasser- und Gewässerpolitik kaum von anderen Politikfeldern klar abgrenzbar, sondern vielmehr mit diesen verwoben ist – z. B. neben Umwelt auch Landwirtschaft, Wirtschaft, Energie und Verkehr. Akteur*innen in diesen angrenzenden Politikfeldern sind zudem häufig politisch einflussreicher. Hinzu kommen überregionale und grenzüberschreitende Fragen des Wasser- und Gewässermanagements, denn Einzugsgebiete/Flüsse machen nicht an Ländergrenzen halt.

Große Hoffnungen und Erwartungen bestehen daher gegenüber der Wasser- und Gewässerforschung, die einen entscheidenden Beitrag dazu leisten soll, die bisherige Wasser- und Gewässerpolitik nachhaltiger zu gestalten – und Lösungen für Schutz- und Nutzungskonflikte zu finden. Transdisziplinarität wird dafür immer wieder als vielversprechender Ansatz bzw. als Erfolgsmodell genannt. Zeit für einen Realitätscheck aus der Praxis des Wissensaustausches zwischen Forschung und politischen Akteur*innen: Welches Verständnis von „Transdisziplinarität“ und „Partizipation“ beschreibt diesen Austausch in realistischer Weise? Wie weit klaffen theoretisches Design und praktische Implementierung auseinander? Welche Formate funktionieren, welche Herausforderungen und Grenzen gibt es? Und was implizieren die Begriffe „Erfolg“ und „Wirkung“ beim Wissensaustausch mit politischen Akteur*innen?

Hinzmann, Mandy; Knoblauch, Doris & Mederake, Linda

Junge Perspektiven in der Wissenschaft: Reflexion von Müllfunden in Küstengebieten im Citizen-Science-Projekt „Plastic Pirates“

Als Teil des Citizen-Science-Projekts „Plastic Pirates – deutsche Küste“ wurden Jugendliche über die reine Datensammlung hinaus aktiv in die wissenschaftliche Ergebnisreflexion eingebunden. Dazu führten wir moderierten Fokusgruppen mit Schulklassen in Schleswig-Holstein durch, die zuvor einen Strandabschnitt nahe ihrer Schule auf das Vorkommen von (Plastik-)Müll untersucht hatten. Angeleitet von Wissenschaftlerinnen diskutierten die Jugendlichen die Ergebnisse ihrer Untersuchung, deren gesellschaftliche Relevanz, die Einbindung in einen größeren globalen Kontext und mögliche Lösungsansätze zur Eindämmung der Plastikmüllverschmutzung. Dieser Ansatz schafft im oft eng getakteten Schulalltag einen geschützten Raum für kritisches Denken, interdisziplinäre Perspektiven und ein vertieftes Verständnis ökologischer Zusammenhänge und Lösungsebenen.

Die Jugendlichen werden durch die Fokusgruppen stärker in den Forschungsprozess eingebunden und mit sozialwissenschaftlichen Methoden vertraut gemacht.
Gleichzeitig untersuchen wir mit diesem Ansatz die Wahrnehmung und Perspektiven junger Menschen zur Plastikkrise: Welche Narrativen prägen ihr Problemverständnis, wie schätzen sie die Ursachen und die Verantwortung ein, in welchem größeren Kontext sehen sie den Müll „vor der eigenen Haustür“, welche Lösungsmöglichkeiten (er)kennen und welche politischen Maßnahmen priorisieren sie?

Kryst, Melanie; Herzog-Sounaye, Lena & Nölle, Nikola

Wasserforschung mit Wirkung: Wie Wissensatlas und Impact-Workshops den Wissensaustausch zwischen Forschung und Praxis fördern

Das Programm ON WATER | DIALOGE des TD-Lab – Labor für transdisziplinäre Forschung der Berlin University Alliance verfolgt einen zweistufigen Ansatz, um den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis im Bereich der Wasserforschung systematisch zu stärken: In einem ersten Schritt identifizieren Teilnehmende themenspezifischer Workshops mit einem „Wissensatlas“ ihre Schnittstellen für gegenseitigen Wissenstransfer und erkunden gemeinsame offene Fragestellungen für partizipative und transdisziplinäre Wasserforschung. Durch diese strukturierte Zusammenarbeit entsteht ein Netzwerk zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und organisierter Zivilgesellschaft, das den integrativen Forschungsraum Berlins mitgestaltet. Darauffolgend erarbeiten Teilnehmende als transdisziplinäre Teams in einer Reihe von „Impact-Workshops“ ab Herbst 2025 die zielgerichtete Ansprache von Entscheidungsträger*innen. Dazu gehören die Aufbereitung von Daten, die Erstellung von Policy Briefs und Kommunikationsstrategien. Das Programm trägt damit zur Co-Dissemination von Forschungsergebnissen in die Wasserpolitik bei, welche insbesondere bei der Politik-Implementierung Relevanz haben. Gleichzeitig wirkt es durch die Kommunikation offener Fragestellung auf das politische Agenda-Setting ein.
Für die Session „Partizipative Ansätze zur Gestaltung des Science-Policy Interface – Erfahrungen und offene Fragen aus der Wasserforschung“ wird ein Überblicksposter erstellt, das die verwendeten Tools und Methoden visualisiert und Erfahrungen für transdisziplinäre Kollaboration und Co-Dissemination in der Wasserforschung diskutiert.

Kaufer, Ricardo

Partizipative Forschung zur Bearbeitung von Konflikten im Rahmen der Gestaltung der blauen Infrastruktur: das Management Berliner Kleingewässer

Die Anpassung urbaner Gewässer wie Weiher und Teiche an die Verschmutzung durch diverse Stoffeinträge und die zunehmende Trockenheit im Rahmen des Klimawandels mit den Zielen der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und der Verbesserung der urbanen Sozialökologie ist eine zunehmend bedeutsame Aufgabe städtischer Umweltpolitik. Vor diesem Hintergrund ermöglichen und untersuchen wir die Partizipation von Expert*innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft an der Forschung im Projekt POllution in UrbaN ponds, eco-evolutionary Dynamics, and Ecosystem Resilience (POUNDER), welche die öko-evolutionäre Dynamik und die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen angesichts von Umweltherausforderungen adressiert. Im Rahmen unserer Projektbeteiligung zielen wir auf die Integration und Nutzung des wissenschaftlichen Wissens im Rahmen des Managements der Berliner Kleingewässer. Hierfür werden Expert*innenworkshops, Interviews und Stadtrundgänge durchgeführt, um aufzuzeigen, wie zivilgesellschaftliche Organisationen, die politischen Parteien, die städtischen Wasserbetriebe und öffentliche Verwaltungen die Herausforderungen und Konflikte rund um die urbanen Kleingewässer wahrnehmen und welche Maßnahmen notwendig sind, um Fortschritte im Bereich des Schutzes und der Entwicklung urbaner Kleingewässer zu erreichen.

León, Christian; Fesch, Katharina & Stauder, Stefan

Transdisziplinäre Prozesse im internationalen Kontext: Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt NEWA-LIMA in Lima, Peru

Die erfolgreiche Umsetzung innovativer Umwelttechnologien im Wassersektor hängt entscheidend von der aktiven Einbindung relevanter Stakeholder ab. Am Beispiel des Projekts NEWA-LIMA, das in Lima (Peru) die kontrollierte Grundwasseranreicherung (Managed Aquifer Recharge, MAR) mit aufbereitetem kommunalem Abwasser als naturbasierte Lösung für städtische Wasserknappheit erprobte, werden Strategien, Erfahrungen und Herausforderungen im Stakeholder-Management dargestellt.
Von Beginn an verfolgte das Projekt einen transdisziplinären Forschungsansatz, der lokale Behörden, Wasserversorger, Forschungseinrichtungen, NGOs und Anwohner einbezog. Durch partizipative Workshops, Schulungen, bilaterale Abstimmungen und gemeinsame Standortbegehungen konnten technologische Konzepte an lokale Rahmenbedingungen angepasst und Akzeptanzbarrieren frühzeitig identifiziert werden.
Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere die Kombination aus Demonstration wasserwirtschaftlicher Lösungen mit gezieltem Kapazitätsaufbau und transparenter Kommunikation sowie Dialog zentrale Erfolgsfaktoren waren. Gleichzeitig traten Herausforderungen zutage, etwa bei der Harmonisierung unterschiedlicher Interessen, in Genehmigungsverfahren oder aufgrund politischer Rahmenbedingungen.
Aus den Ergebnissen lassen sich Handlungsempfehlungen für zukünftige Wasserforschungsprojekte ableiten. Diese umfassen u. a. die frühzeitige Einbindung lokaler Entscheidungsträger, die Berücksichtigung sozio-kultureller Faktoren bei der Technologieanpassung sowie den Aufbau von Vertrauen durch kontinuierlichen Dialog. NEWA-LIMA verdeutlicht damit, dass transdisziplinäre Forschung und Stakeholder-Beteiligung nicht nur ein begleitender, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor für den Transfer und die nachhaltige Implementierung innovativer Umwelttechnologien ist.

Söller, Linda & König, Mert

Reflexive partizipative Modellierung zur Wissens-Ko-Produktion zwischen Wissenschaft und Praxis in transdisziplinärer (Grund)Wasserforschung

In der Grundwasserforschung werden numerische Modelle häufig eingesetzt, um Wasserbilanzen zu erstellen, Klimawandelauswirkungen zu simulieren und Managementstrategien zu evaluieren. Zunehmend erfolgt dies in transdisziplinären und partizipativen Formaten, die das Wissen von Stakeholder*innen in den Modellierungsprozess einbeziehen und gemeinsames Lernen ermöglichen sollen. Diese Modelle bieten ein großes Potenzial für die Wissens-Ko-Produktion zwischen Wissenschaft und Praxis, da sie unsichtbare hydro(geo)logische Prozesse sichtbar und begreifbar machen – sowohl für Wissenschaftler*innen als auch für Stakeholder*innen. Gleichzeitig wird Modellierung vermehrt als sozial und politisch eingebettete Praxis verstanden. Wissenschaftler*innen fordern daher machtsensible und reflexive Ansätze, die normative Annahmen, epistemische Ungleichheiten und Machtasymmetrien im Modellierungsprozess kritisch hinterfragen (Alba et al., 2025). Modellierer*innen oder Modellierungsteams benötigen hierfür nicht nur technische Expertise, sondern auch ein Bewusstsein für epistemische Ungerechtigkeit, Machtungleichgewichte und die Tragweite modellgestützter Entscheidungen. Basierend auf verschiedenen Modellierungserfahrungen (partizipativ/nicht partizipativ, quantitativ/qualitativ) beleuchtet dieser Vortrag die Potenziale und Grenzen partizipativer Modellierung in der transdisziplinären Forschung. Er zeigt auf, wie partizipative Modellierungsprozesse gerechter und inklusiver gestaltet werden können, um als Wissens-Ko-Produktion zwischen Wissenschaft und Praxis zu fungieren und sozial-ökologische Transformationen zu unterstützen. Abschließend werden Einblicke in die Konzeption eines neu gestarteten partizipativen Modellierungsprozesses gegeben, der Prinzipien reflexiver Modellierung berücksichtigt und die damit verbundenen Herausforderungen thematisiert.

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