Leipziger KUBUS | Saal 1C
Zeit:
Mittwoch, 12.11.2025
15:00 – 16:30 Uhr
Thematische Session 1.2
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Vorträge
Alexander, Friederike
Diverses München – städtisches Wissen gemeinsam konstruieren, diskutieren, kommunizieren
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Murray, Claire
Combining voices of participants and organizers to deepen co-creation. A case study from Citizen Social Science with youth
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Mayer, Katja
Offene Daten – geschlossene Systeme? Partizipative Gegenentwürfe zur extraktiven Logik der KI
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Hofmann, Eva; Pototschnig, Pia; Wirgler, Sonja; Seebauer, Sebastian & Hartl, Barbara
Sozialpsychologische Forschung zu nachhaltigem Verhalten (CoClimA): Barrieren und Förderung von Partizipation existierender Freiwilligen- und Freizeitgruppierungen in wissenschaftlicher Modellentwicklung
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Mewes, Julie Sascia
Transforming Modes of Knowing (in) Citizen Science – an interjection informed by science and technology studies
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Reinicke, Charlotte & Höber, Leonie
Evaluation auf unerforschten Wegen
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Göbel, Claudia
Infrastrukturen Engagierter Wissenschaft – Reibungen und Anregungen für ein offenes Infrastrukturieren
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Meilwes, Silke; Varney, Valérie & Müller, Larissa
„Beam me up, Scotty!“ – Der Third Space im Hochschulkosmos
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Thematische Session 1.2
Murray, Claire; Mewes, Julie Sascia; Göbel, Claudia; Mahr, Dana & Mayer, Katja
Sozialwissenschaftliche Impulse aus dem Zwischenraum von Open Science, Partizipation und TDR – Galaxienkollision oder bierbrauendes Pommesnudelseitan? - Impulse aus dem Zwischenraum von offenen, partizipativen und handlungsorientierten Sozialwissenschaften
Open Science, partizipative Wissenschaft, transdisziplinäre Forschung und Citizen Science begegnen uns als engagierten Praktiker*innen und Forscher*innen nicht nur als unterschiedliche Buzzwords in der Antragssprache. Sie helfen Kooperationspartner*innen einzuordnen, was getan werden soll, welche Qualitätsanforderungen gelten und worin man seine Energie lieber (nicht) investiert. Als Gemeinschaften zeichnen sich diese Ansätze durch eigene Traditionslinien, Wertvorstellungen und Umgangsweisen aus, die nicht selten um Ressourcen und Aufmerksamkeit konkurrieren und –entgegen – mancher wissenschaftspolitischer Hoffnungen nicht einfach ineinander aufgehen.
Die Session möchte Austausch zwischen diesen verschiedenen Strömungen gesellschaftlich engagierter Forschung anregen und fokussiert dafür nicht auf Labels, sondern auf die Forschungs- und Engagementpraxis.
• Welche Impulse für innovative Wissenschaft – und andersherum für innovatives gesellschaftliches Engagement – lassen sich an den Schnittpunkten von offener, partizipativer und handlungsorientierter Forschung finden?
• Kann gute engagierte Wissenschaft alles gleichzeitig sein (bierbrauendes Pommesnudelseitan)?
• Wo sind Grenzen zu ziehen und gibt es Spannungen zwischen den Ansätzen (Galaxienkollision)?
Schwerpunkt sind die Sozialwissenschaften und angrenzende Praxisgebiete, wie z.B. Wissenschaftskommunikation, -bildung und -evaluation. Sie zeichnen sich durch eine zentrale Rolle für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen sowie vielseitige Öffentlichkeitsbeziehungen aus, die jedoch in den gängigen Debatten oft eher am Rande aufgegriffen werden.
Willkommen sind methodische, konzeptuelle und anwendungsorientierte Beiträge aus stärker akademischen oder stärker praktischen Kontexten, die nicht in erster Linie auf Abgrenzungsarbeit aus sind, sondern bislang wenig diskutierte Impulse oder Herausforderungen an den Schnittpunkten von Open Science, partizipativer Wissenschaft, transdisziplinärer Wissenschaft und Citizen Science beleuchten; oder solche, die den oftmals “messy” Arbeitsalltag und überlappende Praktiken systematischer beleuchten.
Beispielsweise sind Fragen denkbar wie:
• Wo gehen Open-Science-Ansätze zusammen mit Partizipation, und wo stoßen sie auf Grenzen?
• Wo kann Citizen Science transdisziplinäre Forschung ergänzen, wo nicht?
• Wie verbinden wirksame Ansätze von Wissenschaftskommunikation Einsichten aus unterschiedlichen Feldern engagierter Forschung?
• Welche Herausforderungen aus einer Gemeinwohl-orientierten Wissenschaftsdidaktik, Forschungsevaluation und Technikentwicklung sind in den gängigen Ansätzen noch kaum berücksichtigt?
Die Session startet mit einer Kombination aus Lightning Talks und Fachvorträgen von Forscher*innen und Praktiker*innen, die verschiedene der oben genannten Ansätze in ihrer Arbeit verbinden, zu einem Impuls oder einer Herausforderung aus ihrer Arbeit. Sie endet mit einem multi-vokalen “Call to Action”, der zentrale Thesen aus den einzelnen Beiträgen zusammenführt und zur weiteren Diskussion anregt.
Abstracts
Alexander, Friederike
Diverses München - städtisches Wissen gemeinsam konstruieren, diskutieren, kommunizieren
Im Rahmen des Vortrags wird das Projekt „Diverses München“ vorgestellt – ein transdisziplinäres Forschungs- und Vernetzungsprojekt, das sich mit dem Zusammenleben in der pluralen Münchner Stadtgesellschaft auseinandersetzt. Über alle Phasen des Forschungsprozesses hinweg erprobt das Projekt innovative Formate, die Forschung, Lehre und Wissenschaftskommunikation miteinander in Beziehung setzen und transdisziplinär ausgestalten. Das Projekt verfolgt mit der Gleichzeitigkeit von vernetzendem Forschen und forschender Vernetzung das Ziel, die Vielfalt der lokalen Bevölkerung in die Wissensproduktion über sich selbst vielstimmig und niedrigschwellig einzubeziehen. Anhand konkreter Beispiele werden Forschungsformate (z.B. Stadtlabor, partizipative Lehrforschung) beleuchtet, in denen Wissenschaftler:innen, Studierende, zivilgesellschaftliche Akteur:innen und Mitarbeitende der Münchner Stadtverwaltung aktiv gemeinsam Wissen über das vielfältige Zusammenleben in München produzieren. Darüber hinaus werden öffentliche Formate der Wissenschaftskommunikation (z.B. digitale Plattform „München im Kaleidoskop“) vorgestellt, die darauf abzielen, komplexe Forschungsthemen für eine breite städtische Öffentlichkeit sichtbar und zugänglich zu machen, und gleichzeitig zum Einmischen, Widersprechen und Mitforschen anregen sollen. Der Vortrag lädt zur Diskussion über die sich gegenseitig beeinflussenden Phasen transdisziplinärer Projekte und die daraus entstehenden neuen Rollen der Universität ein; durch die Arbeit im gesellschaftlich umkämpften Feld von Pluralität wirft er auch die Frage nach der Beziehung zwischen Wissenschaft und Aktivismus auf.
Murray, Claire
Combining voices of participants and organizers to deepen co-creation. A case study from Citizen Social Science with youth
Meaningful co-creation with youth in citizen science relies on equitable power sharing between practitioners and youth. However, the idea of meaningful co-creation versus the reality of delivering it are two different things. In this talk, the process of and learnings from co-creating a webinar as one site of collaboration in a multi-country citizen science project on social inclusion are shared. The expertise presented comes from both youth citizen scientists and adult practitioners combining voices across countries and roles.
Mayer, Katja
Offene Daten – geschlossene Systeme? Partizipative Gegenentwürfe zur extraktiven Logik der KI
Offene Wissenschaft gilt als Leitbild für eine transparentere, kollaborativere und gerechtere Wissensproduktion. Doch im Zeitalter von maschinellem Lernen und generativer KI verdichten sich die Spannungsverhältnisse zwischen Offenheit und Kontrolle, Partizipation und Ausschluss, Gemeingut und Eigentum. Während KI-Systeme vielfach auf öffentlich zugängliche, oftmals in Forschungsarbeit erzeugte Datensätze zurückgreifen, bleibt ihre technische wie ökonomische Verwertung zunehmend proprietär, intransparent und entkoppelt vom ursprünglichen Entstehungskontext der Daten.
In meiner Forschung zu Datenpraktiken in den computational social sciences zeigen sich tiefgreifende Irritationen unter jenen, die bislang als Verfechter:innen offener Daten galten. Ihre Skepsis artikuliert sich nicht primär als Kritik an fehlenden Anreizen, sondern als Reaktion auf eine zunehmend entgrenzte Zirkulation und Kommerzialisierung von Forschungsdaten. Die Sorge gilt weniger dem Teilen selbst, sondern dem Verlust von Kontrolle, Kontext und Verantwortung im Angesicht extraktiver KI-Infrastrukturen. Gleichzeitig entstehen neue partizipative Imaginarios, in denen Offenheit nicht als Einladung zur Ausbeutung, sondern als Versprechen geteilter Verantwortung, demokratischer Gestaltung und epistemischer Gerechtigkeit gedacht wird. In meinem Beitrag möchte ich einige dieser Alternativen skizzieren – und zur Diskussion stellen, welche institutionellen, technischen und normativen Voraussetzungen notwendig wären, um partizipative Forschung auch im digitalen Zeitalter gegen die Logik geschlossener Systeme zu behaupten.
Hofmann, Eva; Pototschnig, Pia; Wirgler, Sonja; Seebauer, Sebastian & Hartl, Barbara
Sozialpsychologische Forschung zu nachhaltigem Verhalten (CoClimA): Barrieren und Förderung von Partizipation existierender Freiwilligen- und Freizeitgruppierungen in wissenschaftlicher Modellentwicklung
Das 3-jährige Citizen Science Projekt CoClimA beteiligt elf Freiwilligen- und Freizeitgruppen, um nachhaltiges privates Verhalten zu fördern. Die Gruppen bestehen aus regionalen Organisationen wie Rotes Kreuz, Freiwillige Feuerwehr, evangelische Kirche, Baseball-Verein, Ortsbäuerinnen, etc.. Zusammen mit Lead Citizen Scientists werden (a) relevante psychologische Konstrukte ermittelt, (b) zu zwei Zeitpunkten (vorher-nachher) Daten erhoben und ausgewertet, (c) Interventionen zur nachhaltigen Verhaltensänderung geplant und durchgeführt, und (d) die Ergebnisse an nationale Dachverbände dieser Organisationen weitergegeben. Follower Citizen Scientists nehmen an (b) und (c) teil. Die Vorher-Erhebung wurde bereits abgeschlossen und erste Interventionen wurden durchgeführt. Förderlich für den präsentierten Citizen Science Forschungsprozess war (a) bei der Rekrutierung der Gruppen, dass Projektmitarbeiterinnen die Bevölkerung und Gruppen kannten, lokale Schlüsselpersonen involviert wurden, und monetäre Anreize zur Teilnahme geboten wurden, (b) für die Aufrechterhaltung des Kontakts, dass kontinuierlich kommuniziert und die Umsetzung der Interventionen breit unterstützt wurde, und (c) der Einblick der Lead Citizen Scientists in die Probleme sozialwissenschaftlicher Forschung (schwierige Teilnehmerrekrutierung, Längenbeschränkung eines Fragebogens). Hinderlich war (a) ein neues Forschungsteam (teilweise unklare Kommunikation mit Gruppen, schnelle Reaktion schwierig), (b) mangelhafte Absprache zwischen Lead und Follower Citzien Scientists, und (c) eine einzige Einschulung der Lead Citizen Scientists bezüglich Citizen Science. Derzeit überwiegen die förderlichen die hinderlichen Aspekte.
Mewes, Julie Sascia
Transforming Modes of Knowing (in) Citizen Science – an interjection informed by science and technology studies
The talk opens with a brief introduction concerning the growing interest in Citizen Science as a participatory research approach among various actors and stakeholders in research and society. Building on this, the talk presents its central argument, emphasising that this growing interest has led to a pluralisation of definitions of Citizen Science with respect to related topics and objectives, as well as the epistemic practices it is driven by. The talk offers an analytical framework, Modes of Knowing in Citizen Science, to consider how different ways of gaining knowledge in the world, such as experiential and traditional knowledges, or scientific modes of knowledge production, are implemented and interact through various methods and methodologies in activities that fall under the umbrella term. Informed by science and technology studies, the talk analyses the potential transformation of how we ‘know’ (in) Citizen Science, particularly with respect to the multiplication of involved actors and stakeholders.
Reinicke, Charlotte & Höber, Leonie
Evaluation auf unerforschten Wegen
Der Lightning-Talk soll einen Blick auf die Erfahrungen im Zuge der begleitenden Evaluation eines Praxisforschungsprojekts (Kompetenz- und Praxisforschungsnetzwerks im Ökolandbau (NutriNet)) werfen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Herausforderungen begleitender Evaluation in einem Praxisforschungsformat in der gängigen Praxis noch nicht ausreichend berücksichtigt werden:
– Indikatoren, die den Erfolg des Projektes messen, können nicht umfassend vorab definiert werden, sondern sind ein Teilziel der Evaluation selbst.
– Eine begleitende (formative) Evaluation benötigt mehr Ressourcen als ein gängiges quantitatives Vorhaben. Optimalerweise wird dafür eine eigene Personalstelle eingeplant.
– Es entsteht ein erhöhter Aufwand durch einen stärkeren Fokus auf die Bedeutung der Beziehungsebene(n) der Akteure. In einem partizipativen Projekt sind diese durch unterschiedliche Hintergründe, Bedarfe und Motivationslagen geprägt.
– Institutionelle Förderlogiken legen den Fokus von Evaluation eher auf die Erfolge eines Projektes. Dabei wäre eine Analyse, die sich dezidiert mit den Hindernissen und den Momenten des Scheiterns auseinandersetzt, im Rahmen von innovativen Formaten ggf. noch erkenntnisreicher.
– Es braucht eine stärkere Anerkennung qualitativer Ergebnisse, um die Vielschichtigkeit der Erkenntnisgewinne in transdisziplinären Kontexten abzubilden.
– Durch begrenzte Projektlaufzeiten ist die Messbarkeit des Impacts eines Projekts beschränkt.
Göbel, Claudia
Infrastrukturen Engagierter Wissenschaft – Reibungen und Anregungen für ein offenes Infrastrukturieren
Die Öffnung von Forschung für Themen, Beitragende und Nachnutzung jenseits der professionellen Wissenschaft ist ein Experimentierfeld für neue Formate der Zusammenarbeit. Der Beitrag aus den Science und Technology Studies lenkt die Aufmerksamkeit auf die Infrastrukturen einer solchen engagierten Wissenschaft in ihren verschiedenen Formen. Damit rücken die Organisationsweisen und unterstützenden Technologien von partizipativen Methoden, transdisziplinären Ansätzen und Bestrebungen um Open Science in den Mittelpunkt. Erstreckt sich die soziale Öffnung auch bis in diese Tiefenschichten der Wissenschaft? Oder müssen sich engagierte Ansätze den gängigen akademischen Formaten und Anforderungen fügen? Welche guten Beispiele und Anregungen finden sich am Schnittpunkt von Open Science, TD-Forschung und Partizipation für ein offenes Infrastrukturieren engagierter Wissenschaft?
Meilwes, Silke; Varney, Valérie & Müller, Larissa
„Beam me up, Scotty!“ - Der Third Space im Hochschulkosmos
Der Forschungsraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2025. Dies sind die Herausforderungen eines Hochschultankers, der mit seiner Besatzung unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neue Ansätze und soziale Innovationen. Viele Lichtjahre von der traditionellen Wissenschaftspraxis entfernt, dringt der Tanker in Räume vor, die bereits von der Zivilgesellschaft gesehen wurden.
Partizipation wird von vielen nun als neue Welt entdeckt. Hat die Wissenschaft wirklich auf einem anderen Planeten gelebt, oder fehlte es uns einfach an der Ressource Zeit und Raum, um diesen Kosmos zu erforschen? In einer Welt voller Tempo und Ressourcenknappheit ist das eine entscheidende Frage. Wie lösen wir Restriktionen und äußern unsere Bedarfe für transdisziplinäre Forschung im drittmittelgetriebenen Wissenschaftsumfeld? Wie bleiben wir ergebnisoffen und erfolgreich in einem System, das Reputation über Drittmittel und Publikationen misst? Viele wünschen sich Lichtjahre entfernt von Innovationsdruck und Verwaltungszwängen.
Dieser Lightning Talk beleuchtet die oft vernachlässigte Schnittstelle zwischen Administration und Wissenschaft, den Third Space des Wissenschaftsmanagements. Essenziell für den Hochschul-Transformationsprozess kann dieser Bereich entweder Zeit und Raum schaffen oder begrenzen. Ohne diese „Third Space-Techniker“ als Akteure ist eine Reise in neue Bereiche kaum möglich. Vielleicht ist es Zeit für den verbindenden Aufruf: „Beam me up, Scotty!“
