Thematische Session 7.5

Bonn, Aletta

Bildung, Reflexion und Selbstwirksamkeit in Citizen Science und der partizipativen Forschung

Partizipative Forschung und Citizen Science eröffnen Lernräume, in denen wissenschaftliche Prozesse gemeinsam mit Bürger*innen oder spezifischeren Zielgruppen wie Schüler*innen oder Studierenden gestaltet werden. Damit verbunden ist das Potenzial, Bildung kontextnah zu verankern, Reflexionsprozesse anzuregen und Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen. In einer Zeit gesellschaftlicher Transformation gewinnen diese Aspekte zunehmend an Bedeutung, da sie Forschung nicht nur als Wissensproduktion, sondern auch als Prozess des gemeinsamen Lernens und Gestaltens sichtbar machen.

Die Session nimmt Bildung, Reflexion und Selbstwirksamkeit als zentrale Dimensionen in den Blick, die für die Qualität und Wirkung partizipativer Forschung maßgeblich sind. Sie zeigt auf, wie unterschiedliche methodische Zugänge und Praxisbeispiele dazu beitragen können, Lernprozesse zu initiieren, transformative Erfahrungen zu fördern und gesellschaftliches Engagement zu stärken.

Ziel der Session ist es, theoretische und praktische Perspektiven zusammenzuführen, Chancen und Herausforderungen partizipativer Bildungsprozesse zu reflektieren und Ansätze sichtbar zu machen, wie Selbstwirksamkeit in Citizen Science und partizipativer Forschung gestärkt werden kann. Sie lädt dazu ein, gemeinsam über innovative Wege nachzudenken, wie Forschung, Bildung und gesellschaftliche Verantwortung enger miteinander verknüpft werden können.

Abstracts

Mbah, Melanie; Brohmann, Bettina & Rhodius, Regina

Reflexion als Grundlage transdisziplinärer und partizipativer Forschung: Anspruch und Umsetzung…

Transdisziplinäre Forschung und Wissenschaft zielt in ihrer partizipativen Praxis gleichzeitig auf Effekte und Veränderungen in Wissenschaft und Gesellschaft ab (u.a. Lawrence et al. 2022). Der daraus resultierende Anspruch an wissenschaftliche Forschungsprozesse und Strukturen wird in Ansätzen erkannt und beispielsweise durch innovative Formate transdisziplinärer und partizipativer Projekte (Frölich et al. i.E.; Lam et al. 2021; Rhodius et al. 2023) unterstützt. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die personalen und interpersonalen Bedingungen der beteiligten Akteure sowie auf die hybriden Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Praxis zu legen. Hierfür bedarf es der Reflexion auf unterschiedlichen Ebenen und Zeiten.
Bei der Reflexion in Projekten und einer möglichen Anpassung von Methoden und Tools zur Gestaltung der Schnittstellen sind Kontextfaktoren, wie Handlungsfeld und gesellschaftliches Umfeld, Problemstellung oder Förderbedingungen sowie die individuellen und gruppenbezogenen Aspekte der beteiligten Akteure aus Wissenschaft und Praxis zu berücksichtigen.
Der hier eingereichte Vortrag möchte herausarbeiten, welche Akteurs- und Gruppenkonstellationen partizipative Reflexionsschritte erlauben und wie diese auszugestalten sind. Er wird zeigen, welche vorbereitenden Schritte innerhalb von Forschungsvorhaben unterstützend sind für die Durchführung von Reflexionen und wie deren Ergebnisse in die jeweilige Projektphase zurückgespielt werden. Diese Änderungsimpulse und Methodenanpassungen tragen zu einer innovativen und partizipativen Wissenschaft bei, deren Ergebnisse für gesellschaftliche Transformationen relevant sind.

Hoff, Holger

Challenge-based learning for societal transformation – experiences from the Austrian Sustainability Challenge

Wenn Wissenschaft stärker gesellschaftliche wirksam werden soll, muss dieser Anspruch auch in der universitären Lehre eingelöst werden. Dazu braucht es transdisziplinäre Formate die realweltliche Probleme und Fragestellungen adressieren und dabei Praxisakteure konsequent einbinden. Solche Formate müssen den Studierenden Problemlösungskompetenz vermitteln und future change agents ausbilden. Letztlich geht es um die Transformation der Universitäten hin zu Inkubatoren für die gesellschaftliche Transformation.
Der Sustainability Challenge ist ein solches Format, das unter Beteiligung von einem halben Dutzend österreichischer Universitäten in den vergangenen 15 Jahren weit über 1000 Studierenden der verschiedensten Fachrichtungen challenge-based learning ermöglicht hat. Die vielfältigen Themenstellung erfolgen durch Praxispartner:innen. Die wissenschaftliche Qualität wird durch Mentor:innen aus den jeweiligen Disziplinen sichergestellt. Die Studierenden erarbeiten ko-kreativ und mit viel Engagement wissenschaftlich und gesellschaftlich robuste Lösungen.
Der Beitrag stellt die Erfahrungen und lessons learned des Sustainability Challenge vor, z.B. in Hinblick auf das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven, Diskurse und Zeithorizonte, die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe und das gegenseitige Lernen. Er soll eine breitere Diskussion anregen, zur Vermittlung inter- und transdisziplinärer Kompetenzen mittels neuer transformativer Formate in Lehre und Forschung (und die stärkere Integration beider) sowie deren Verankerung und Institutionalisierung (mainstreaming) in den Universitäten und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen.

Soßdorf, Anna & Gronenberg, Lea

Erkenntnisse und Lessons Learned des Citizen-Science-Projekts “Co-Creating Our City”

Jugendliche und lokale Entscheidungsträger:innen tauschen sich selten direkt aus, obwohl gerade junge Menschen neue (digitale) Formate für Engagement suchen. Das internationale Citizen-Science-Projekt „Co-Creating Our City“ (Düsseldorf und Charlotte, Mai 2024 – Oktober 2025) hat untersucht, wie der bestehende Mangel an dialogischen Beteiligungsmöglichkeiten überwunden werden kann. Es wurde in beiden Städten einer kommunalspezifischen Fragestellung nachgegangen, die den „Mismatch“ zwischen den Angeboten und den Bedarfen zur Partizipation für Jugendliche auf kommunaler Ebene adressiert und herausgearbeitet, wie diese Angebote optimiert werden können. Dazu haben Jugendliche, Kommunalpolitiker:innen sowie Verwaltungsangestellte der Städte als Citizen Scientists gemeinsam mit Politik- und Kommunikationswissenschaftler:innen an dieser Fragestellung geforscht.

Dabei haben Sie co-creativ und colaborativ an unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses aktiv mitgewirkt und unter anderem Interviews, Beobachtungen und Onlilne-Surveys entwickelt, umgesetzt und analysiert. Anhand der Daten konnte der besondere Wert von Safe Spaces für die Entfaltung von jugendlichem Engagement sowie die relevante Rolle der Schule als Ort der demokratischen Bildung beobachtet werden. Im Vortrag werden zunächst Grundzüge des sozialwissenschaftlichen Citizen-Science-Projektes skizziert, gefolgt von einer Auswahl an zentralen Erkenntnissen der Studie mit Fokus auf die Ergebnisse aus Düsseldorf. Der Schwerpunkt liegt auf der Präsentation und Reflexion der Lessons Learned zum Einsatz des Citizen-Science-Ansatzes vor dem Hintergrund eines internationalen Vergleichsprojektes.

Bothner, Sabine

Designmethoden zur Förderung von Selbstwirksamkeit beim Lernen

 Präsentiert Ergebnisse eines Forschungsprojekts, welches der Frage nachging, inwieweit ein didaktisch-methodisches Vorgehen auf Basis des Design Thinking geeignet ist, Kreativität, kollaboratives Arbeiten und Problemlösekompetenz bei Grundschulkindern zu fördern. Dazu wurden eigens Lehr-Lernszenarien konzipiert, die sich an den Bildungsplänen orientierten und den Phasen des iterativen Design Thinking Prozesses folgten. Sie wurden im Rahmen von sechs Unterrichtseinheiten ausgebracht und waren in den regulären Wochenplan der Kinder integriert. In der letzten Phase stand der Bau von dreidimensionalen Prototypen an. Diese wurden von den Kindern in Gruppen nach selbst verteilten Rollen sowie durch selbstständige Materialauswahl und ohne Hilfestellung durch die Lehrpersonen erstellt. Anschließend wurde je rund die Hälfte der Kinder im Rahmen von Gruppeninterviews zu ihren Arbeiten und persönlichem Erleben der Lehr-Lernszenarien befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass ein didaktisch-methodisches Vorgehen auf Basis des Design Thinking die Selbstwirksamkeit der Kinder beim Lernen und bei der Bewältigung der gestellten Aufgaben maßgeblich fördern kann. Durch erlebte Selbstwirksamkeit während des kollaboratives Arbeitens können Kreativität und Problemlösekompetenz bei Grundschulkindern maßgeblich gefördert werden. Der Beitrag möchte eine Diskussion in Gang setzen, wie Lehr-Lernprozesse, die den Bildungsplänen folgen und gleichzeitig ergebnisoffen einem Designprozess, diese wesentlichen Future Skills bei Grundschulkinder fördern und welche Implikationen für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen hat.

Hüttner, Marie-Luise & Meyer, Markus

Methoden der Wissensvermittlung zum Thema Naturschutz für Schüler*innen

 Das Projekt soll dazu beitragen, Einstellungen und Verhalten von Jugendlichen gegenüber Natur und Naturschutz zu verstehen. Zu diesem Zweck werden in verschiedenen Modulen methodische Ansätze zur Vermittlung von Wissen über Biodiversität, Naturschutz und nachhaltigem Handeln getestet und ihre Auswirkungen auf Einstellungen, Wissen und Verhalten durch Befragungen in zwei Landkreisen in Sachsen-Anhalt (Klassenstufen 7-10) ausgewertet. Im Rahmen der Module erlernen die Jugendlichen Grundlagen des Kartierens, um die Artenvielfalt in ihrer Umgebung zu dokumentieren. Dabei werden ihnen praktische Fähigkeiten vermittelt, die sie später in Citizen-Science-Projekten anwenden können. Zudem werden ihnen die Bedeutung und der Nutzen von Apps wie Flora Incognita sowie anderen Citizen-Science-Plattformen nähergebracht. Ziel ist es, die Jugendlichen für die Mitarbeit in solchen Projekten zu begeistern und Möglichkeiten aufzuzeigen, aktiv zum Naturschutz beizutragen. In Gesprächen mit den Jugendlichen soll außerdem herausgefunden werden, welche Hürden sie bei der Teilnahme an Citizen-Science-Projekten sehen und welche Motivatoren sie dazu bewegen, sich stärker für Natur und Wissenschaft zu interessieren. Ein vorläufiges Ergebnis ist, dass das Interesse und das Verhalten hinsichtlich Naturschutz bei den meisten Jugendlichen gering ist und ihr Wissen über Biodiversität und Naturschutz sehr unterschiedlich ist. Deshalb ist es spannend, wie das Thema in den Schulalltag integriert und so das Naturbewusstsein gestärkt werden kann.

Weiner, Hendrik

Von praxisforschenden Lehrprojekten zu studentisch betriebenen Living Labs – neue Infrastrukturen für Engagement und Selbstwirksamkeit

Mittels praxisforschenden Lehrprojekten, kombiniert mit eigenen, selbstverwalteten Räumen, bauen wir aktuell neue Urban Living Labs als gemeinwohlorientierte Infrastrukturen aus der Universität heraus auf. Sie werden zu großen Teilen selbst von den Studierenden betrieben, für die Stadtgesellschaft geöffnet und bieten so einen neuen Möglichkeitsraum für Begegnung, Projektarbeit, Engagement und Selbstverwirklichung.
Anhand der Projekte ‚in:takt – Freiraum für alle‘ in Magdeburg, gestartet 2018, (in:takt 2025) und ‚COCO – Commoning Cottbus‘ in Cottbus (COCO 2025) werden Rahmenbedingungen, Prozesse, Chancen und Herausforderungen für die Lehre, die Beteiligten und die Stadtgesellschaft reflektiert. Die Projekte verankern Studierende im Stadtraum. In ihrer Wechselwirkung von Theorie und Praxis bieten sie Einstiege ins Engagement sowie einen chancenreichen Erfahrungs-und Trainingsraum für Selbstwirksamkeit.
Die Arbeit basiert auf den Ansätzen “Engaged Learning” (Chmelka et al. 2023) sowie „Live Projects“ (Harriss et al. 2014). Die Projekte bieten die Chance, eine inter- und transdisziplinäre Arbeitsweise sowie Ko-Gestaltungsprozesse zu entwickeln. Sie sind mit offenen Problemstellungen, verschiedenen Akteuren und Interessenlagen, universitären Limitierungen, lokalpolitischen Bewertungen und sich verändernden Rahmenbedingungen konfrontiert. Damit werden sie, orientiert am Ansatz der Design- und Aktionsforschung (Smith et al. 2024, Chevalier et al. 2013, Kindon et al. 2008) als hybride Settings zu praxisforschenden Lehrprojekten, in der alle Arten von Wissen ernst genommen werden.

Nowak, Anna Christina & Pinheiro, Paulo

Die Lebenswelt als Lernfeld: Partizipative Methoden in der Hochschulbildung

Partizipation und Empowerment gelten als erstrebenswerte Zielvorstellungen in der erziehungs- und gesundheitswissenschaftlichen Praxis. Partizipative Methoden ermöglichen es, dass Forschende und Beforschte die Lebens- und Arbeitspraxis transdisziplinär untersuchen und so zu Demokratisierung und sozialer Gerechtigkeit beitragen (von Unger, 2014). Gerade im hierarchisch organisierten Hochschulkontext sind solche Ansätze relevant, um Studierenden Mitsprache bei ihren Studienbedingungen zu geben.
Im Rahmen eines interdisziplinären Seminars an der Universität Bielefeld wurde daher, in Kooperation mit dem studentischen Gesundheitsmanagement, der Campus als Lern- und Lebensraum in den Blick genommen. Mittels Photovoice und Digital Storytelling sollten Studierende gesundheitsbezogene Erfahrungen reflektieren und zugleich die Methoden für ihre spätere Berufspraxis erlernen. Die Ergebnisse zeigen einen klaren Fokus auf physische Aspekte: Grünflächen wurden als förderlich, Baustellen und Infrastrukturmängel als belastend identifiziert. Abstraktere Belastungen durch das Studium traten zurück, da Studierende unmittelbar veränderbare Faktoren priorisierten.
Die Durchführung konfrontierte die Lehrenden jedoch mit einer Paradoxie: Das partizipativ angelegte Seminar war in curriculare Strukturen eingebunden, wodurch der Anspruch auf Egalität mit der realen Rollenverteilung und den vorgegebenen Leistungsvorgaben kollidierte. Der Schwerpunkt des Vortrags liegt daher auf den Herausforderungen und Gelingensbedingungen solcher partizipativen Projekte in der Hochschullehre.

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