Leipziger KUBUS | Saal 1B

Zeit:
Donnerstag, 13.11.2025
09:00 – 10:30 Uhr

 

Thematische Session 3.2

Friedrichs-Manthey, Martin
Den Wert von Citizen Science Daten voll ausschöpfen – Methoden und Indikatoren für Natur- und Umweltschutz

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Vorträge

Stolp, Arne & Finn, Christine
Wenn Ideologie die Wahrnehmung trübt 
– Messen von verzerrter Evidenzbewertung im Alltag

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Mora, Karin; Rzanny, Michael; Wäldchen, Jana; Feilhauer, Hannes; Kattenborn, Teja; Kraemer, Guido; Mäder, Patrick; Svidzinska, Daria; Wolf, Sophie & Mahecha, Miguel D.
Makrophänologische Dynamik von Pflanzen – Veränderungen im Gruppenverhalten von Pflanzen, aufgedeckt durch Citizen-Science-Daten

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Rakosy, Demetra; Sommerlandt, Frank; Sickel, Wiebke; Kirsch, Felix; Krüger, Lasse; Kasiske, Toni; Pérez Sánchez, Antonio José; Kronfoth, Christine & Ogan, Sophie
Wildbienen-Monitoring in deutschen Agrarlandschaften: Citizen Science als Beitrag zur Biodiversitätsforschung

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Ogan, Sophie; Pérez Sánchez, Antonio José; Sommerlandt, Frank; Hellwig, Niels; Krüger, Lasse; Kirsch, Felix; Kronfoth, Christine; Sickel, Wiebke & Rakosy, Demetra
Bürger*innen auf Bestäubersuche – was die Hummel-Challenge über unsere Agrarlandschaft verrät

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Engelmann, Rolf A. & Wirth, Christian
Vom Daten-Sprint zum Biodiversitäts-Monitoring – der BioBlitz 2025 im Botanischen Garten der Universität Leipzig

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Siebert, Janette; Burgstaller, Stephan; Kornilev, Yurii; Krall, Maria; Hamernik, David; Kremser, Janis; Loupal, Anna; Spießberger, Magdalena; Zaller, Johann; Schweiger, Silke; Teufl, Pia; Graf, Wolfram; Dörler, Daniel; Heigl, Florian & Landler, Lukas
AmphiBiom – Kleiner Teich, große Wirkung 

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Lenz, Josefine; Kaiser, Soraya; Müller, Marlin M.; Fritz, Oliver; Walz, Pauline; Marx, Sabrina; Thiel, Christian & Langer, Moritz
Citizen Science in der Polarforschung – Permafrost gemeinsam erforschen & anschaulich vermitteln

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Thematische Session 3.2

Friedrichs-Manthey, Martin

Den Wert von Citizen Science Daten voll ausschöpfen - Methoden und Indikatoren für Natur- und Umweltschutz

Die Zahl von Citizen Science Projekten, die zur Beobachtung von Natur & Umwelt und zur Meldung von Funddaten zu verschiedenen Arten aufrufen, wächst ständig. Die Spannbreite in der Art und Weise der Datenaufnahme reicht dabei von einfachen, opportunistisch erhoben Meldungen von mehr oder weniger zufällig angetroffenen Arten, bis zu standardisierten Monitoringprotokollen für spezielle Artengruppen, wiederholten Beobachtungen und langen Zeitreihen.
Alle diese Daten bieten eine große Chance für den Naturschutz und die Forschung, aber “mehr Daten” bedeuten nicht gleichzeitig “bessere Daten”. Die Heterogenität der Daten und räumliche, zeitliche und taxonomische Verzerrungen stellen große Herausforderungen an die Auswertung.
Wir möchten in unserer Session einen Einblick geben, über die Bandbreite an Methoden, um mit den Herausforderungen von Citizen Science Artdaten umzugehen. Dabei möchten wir Beiträge abbilden, die sowohl methodische Entwicklung aufzeigen, als auch praktische Beispiele, bei denen die Auswertungen von Citizen Science Daten für die konkrete Entscheidungsfindung im Naturschutz genutzt worden sind.

Abstracts

Stolp, Arne & Finn, Christine

Wenn Ideologie die Wahrnehmung trübt 
– Messen von verzerrter Evidenzbewertung im Alltag

Ob beim Klimawandel, innerer Sicherheit oder anderen gesellschaftlich kontroversen Themen – wissenschaftliche Fakten stoßen oft auf ideologisch geprägte Überzeugungen. Diese können dazu führen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht neutral bewertet, sondern durch die „ideologische Brille“ interpretiert werden. So werden Informationen, die zur eigenen Weltanschauung passen, eher akzeptiert, während widersprechende Fakten abgelehnt oder entwertet werden.
In unserem Beitrag stellen wir ein neues psychologisches Messinstrument vor, das erfasst, wie stark die Bewertung wissenschaftlicher Informationen durch politische Überzeugungen beeinflusst wird – ohne die Befragten direkt danach zu fragen. Grundlage ist die Signalentdeckungstheorie, mit der wir getrennt voneinander bewerten können: das inhaltliche Wissen der Teilnehmenden über ein Thema und ihre ideologisch gefärbte Voreingenommenheit im Umgang mit den Fakten.
Wir haben den Fragebogen in einer repräsentativen Stichprobe in Deutschland (N = 1.500) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Verzerrung der Faktenbewertung systematisch mit politischer Einstellung und Parteiidentifikation in Verbindung bringen lässt. Unser Ansatz bietet damit eine neue Möglichkeit, ideologisch motivierte Informationsverarbeitung messbar zu machen – ein wichtiger Schritt für die Praxis der Wissenschaftskommunikation, politischen Bildung und gesellschaftlichen Dialog.


Mora, Karin; Rzanny, Michael; Wäldchen, Jana; Feilhauer, Hannes; Kattenborn, Teja; Kraemer, Guido; Mäder, Patrick; Svidzinska, Daria; Wolf, Sophie & Mahecha, Miguel D.

Makrophänologische Dynamik von Pflanzen – Veränderungen im Gruppenverhalten von Pflanzen, aufgedeckt durch Citizen-Science-Daten

Die Phänologie, die Untersuchung periodischer biologischer Ereignisse in Pflanzen, ist ein zentraler Indikator für Klimaveränderungen. Während traditionelle Methoden oft auf einzelne Arten oder begrenzte Beobachtungsnetzwerke beschränkt sind, ermöglichen Citizen-Science-Daten von mobilen Apps wie Flora Incognita eine beispiellose räumlich-zeitliche Abdeckung. Allerdings bergen solche opportunistisch erhobenen Daten Herausforderungen wie saisonale Erfassungsmuster und menschliches Sammelverhalten.

In dieser Studie präsentieren wir einen innovativen makrophänologischen Ansatz, der nichtlineare Dimensionsreduktion nutzt, um gruppenweises Pflanzenverhalten über Tausende von Arten hinweg zu analysieren. Unser Verfahren identifiziert synchronisierte phänologische Muster während der Vegetationsperiode und zeigt, wie sich diese Dynamiken räumlich und zeitlich verändern. Besonders relevant für Citizen-Science-Anwendungen ist unsere Methode zur Trennung ökologischer Signale von menschlichen Erfassungsmustern, etwa durch Aggregation zeitlicher Daten.

Die Analyse von fast zehn Millionen Beobachtungen detektiert robuste makroökologische Muster, die mit phänologischen Phasen korrespondieren, aber auch neue Einblicke in kollektive Pflanzenreaktionen auf Klimavariabilität bieten können. Diskutiert werden: Die Eignung nichtlinearer Methoden für heterogene, großskalige Daten, Strategien zur Validierung und Bias-Reduktion, Potenziale für die Integration mit klassischen Monitoring-Programmen.
Unsere Ergebnisse demonstrieren, wie Citizen-Science-Daten trotz ihrer Komplexität wertvolle Erkenntnisse für den Naturschutz liefern können, vorausgesetzt, methodische Einschränkungen werden transparent adressiert. Der Ansatz ist skalierbar und könnte künftig globale Phänologiestudien oder die Bewertung von Klimafolgen auf Ökosysteme unterstützen.

Rakosy, Demetra; Sommerlandt, Frank; Sickel, Wiebke; Kirsch, Felix; Krüger, Lasse; Kasiske, Toni; Pérez Sánchez, Antonio José; Kronfoth, Christine & Ogan, Sophie

Wildbienen-Monitoring in deutschen Agrarlandschaften: Citizen Science als Beitrag zur Biodiversitätsforschung

Wildbienen sind zentrale Akteure in den Bestäubungsnetzwerken landwirtschaftlich genutzter Ökosysteme. Doch wie steht es um ihre Bestände in Deutschland – und wie verändern sie sich infolge von Landnutzungsänderungen, Habitatverlust sowie dem Eintrag von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln? Das bundesweite Wildbienen-Monitoring in Agrarlandschaften soll diese Wissenslücken schließen.
Im Mittelpunkt steht ein Citizen-Science-Ansatz, an dem sich seit 2019 über 350 Bürgerwissenschaftler*innen beteiligen, indem sie Hummeln entlang festgelegter Transektlinien erfassen oder hohlraumnistende Wildbienen in Nisthilfen beobachten. Die gewonnenen Daten werden durch Expertinnen geprüft und um moderne molekulare Verfahren wie Metabarcoding ergänzt.
Die Kombination aus bürgerlichem Engagement und wissenschaftlich fundierten Methoden ermöglicht es, räumliche und zeitliche Datenlücken zu schließen und belastbare Indikatoren zum Zustand und zur Entwicklung von Wildbienenpopulationen in Agrarlandschaften zu errechnen. Auswertungen der ersten Erhebungsjahre zeigen Potenziale und Herausforderungen citizen-science-basierter Ansätze. Bereits jetzt lassen sich jedoch erste Veränderungen in der Wildbienenvielfalt auf Landschaftsebene abbilden.
Künftig soll die Verknüpfung aktueller und historischer Datensätze eine differenzierte Analyse der Entwicklung von Wildbienenpopulationen ermöglichen – mit dem Ziel, realistische Zielzustände für deren Bestände in Agrarlandschaften zu definieren. So leistet das Monitoring einen substantiellen Beitrag zum Erhalt von Wildbienen und unterstützt agrarpolitische Entscheidungen.

Ogan, Sophie; Pérez Sánchez, Antonio José; Sommerlandt, Frank; Hellwig, Niels; Krüger, Lasse; Kirsch, Felix; Kronfoth, Christine; Sickel, Wiebke & Rakosy, Demetra

Bürger*innen auf Bestäubersuche – was die Hummel-Challenge über unsere Agrarlandschaft verrät

Hummeln zählen zu den wichtigsten Bestäubern für Wild- und Kulturpflanzen. Sie sind Sympathieträger der Lüfte, lösen komplexe Aufgaben – und doch ist ihr aktuelles Vorkommen in Deutschland vielerorts kaum dokumentiert. Genau hier setzt die Hummel-Challenge an: eine Citizen-Science-Initiative des Thünen-Instituts, die seit 2022 bundesweit Bürger*innen dazu aufruft, Hummeln zu fotografieren und ihre Funde über die App ObsIdentify zu melden. Die KI-basierte Bestimmung in der App wird durch Expert*innen validiert – so entstehen hochwertige Daten für die Forschung.
Mitmachen ist denkbar einfach: kein Fachwissen, keine festen Transekte – nur ein Smartphone und Neugier. In Kombination mit dem bundesweiten Hummel-Monitoring liefert die Challenge neue Erkenntnisse zu Artenvielfalt, Verbreitungsmustern und dem Einfluss menschlichen Handelns. Im Sommer 2024 gelang durch eine Einsendung erstmals der Nachweis der Tonerdhummel (Bombus argillaceus) in Deutschland – vermutlich ein Hinweis auf klimabedingte Arealverschiebung.
Darüber hinaus zeigt eine erste Auswertung der über 3.500 Hummel-Fotos aus 2022-2023: die 21 verschiedene Hummel-Arten/Artkomplexe nutzen ein breites Spektrum an Pflanzen – mit teils landnutzungsabhängigen Verschiebungen. Diese Daten liefern wertvolle Hinweise, wie vielfältige Blühangebote gezielt gefördert werden können. Damit trägt die Hummel-Challenge auch zur evidenzbasierten Wiederherstellung und Förderung bestäuberfreundlicher Agrarlandschaften bei.

Engelmann, Rolf A. & Wirth, Christian

Vom Daten-Sprint zum Biodiversitäts-Monitoring – der BioBlitz 2025 im Botanischen Garten der Universität Leipzig

Der vom Verband Botanischer Gärten e. V. initiierte „BioBlitz – Artenvielfalt in Botanischen Gärten“ (14.–22. Juni 2025) vereinte mehr als 30 Botanische Gärten im deutschsprachigen Raum, um gemeinsam mit Bürger:innen offen zugängliche Biodiversitätsdaten zu generieren. Innerhalb von neun Tagen dokumentierten auf der Online-Plattform und Bestimmungs-App iNaturalist über 880 Teilnehmende über 52.000 Beobachtungen wild lebender Arten in den Botanischen Gärten und wiesen mehr als 4.700 Arten (Stand: 07.08.2025) nach.
Am Beispiel des Botanischen Gartens der Universität Leipzig zeigt der Vortrag, wie niedrigschwellige Workshops, begleitete Führungen und Live-Daten Besucher:innen und Fachleute gleichermaßen motivierten, Beobachtungen unmittelbar zu teilen und zu diskutieren. Erste Auswertungen verzeichnen allein in Leipzig knapp 700 Arten (Stand: 07.08.2025), darunter zahlreiche Wildbienen, und unterstreichen das Potential pflanzlicher „Biodiversitätsinseln“ für wildlebende Arten.
Alle Beobachtungen werden bei ausreichender Datenqualität an das Global Biodiversity Information Facility (GBIF)-Netzwerk übermittelt und stehen damit weltweit für Forschung und Naturschutz zur Verfügung. Der Beitrag beleuchtet Erfolgsfaktoren sowie Herausforderungen und verortet den BioBlitz an der Schnittstelle von Citizen Science, Bildung und Artenschutz. Er zeigt praxisnahe Wege auf, wie Botanische Gärten als Verbindungsglied zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wirken und das Format auf andere städtische Grünräume übertragen werden kann.

Siebert, Janette; Burgstaller, Stephan; Kornilev, Yurii; Krall, Maria; Hamernik, David; Kremser, Janis; Loupal, Anna; Spießberger, Magdalena; Zaller, Johann; Schweiger, Silke; Teufl, Pia; Graf, Wolfram; Dörler, Daniel; Heigl, Florian & Landler, Lukas

AmphiBiom – Kleiner Teich, große Wirkung

Amphibien gehören weltweit zu den am stärksten bedrohten Tiergruppen mit vielerorts sinkenden Beständen. Die Hauptursachen hierfür umfassen mitunter den Verlust von Lebensräumen, fehlende Habitatkonnektivität und die Ausbreitung von Krankheiten. In Österreich stehen alle Amphibienarten unter strengem Schutz. Im Rahmen des Projekts „AmphiBiom“ wurde die Wechselkröte (Bufotes viridis) als Schirmart gewählt, da sie durch ihre charakteristische Rückenzeichnung leicht identifizierbar ist, sich ihre Vorkommen auf weite Teile Österreichs, inkl. Siedlungsgebiete, erstrecken. Wechselkröten nutzen häufig regelmäßig austrocknende, temporäre Gewässer, die oft schwer zugänglich (z.B. Privatgrundstücke) und dadurch unzureichend digital erfasst sind. Ziel des Projekts war es, Bürger*innen aktiv in die Erfassung der Verbreitung von Wechselkröten einzubinden und amphibienfreundliche Laichgewässer auf Privatgrundstücken zu schaffen. Dazu wurden 2024 österreichweit 300 Mini-Teiche (Kunststoff-Teichwannen) von Bürger*innen auf Privatgrundstücken installiert. Über zwei Jahre hinweg dokumentierten Bürgerforscher*innen die Besiedelung dieser Mini-Teiche durch Wechselkröten und andere Amphibienarten sowie die generelle aquatische Sukzession. Die erhobenen Daten wurden wissenschaftlich analysiert und regelmäßig an die Bürgerforscher*innen zurückgemeldet. Diese partizipative Herangehensweise stärkte die Identifikation der Bürgerforscher*innen mit dem Projekt und förderte vielerorts die nachhaltige Umsetzung der Maßnahmen. Die einfache Anlage amphibienfreundlicher Kleingewässer förderte ein gesteigertes Bewusstsein für die Natur im Siedlungsraum, verwies aber auch gleichzeitig auf die Grenzen der Beteiligung durch Bürgerforscher*innen.

Lenz, Josefine; Kaiser, Soraya; Müller, Marlin M.; Fritz, Oliver; Walz, Pauline; Marx, Sabrina; Thiel, Christian & Langer, Moritz

Citizen Science in der Polarforschung - Permafrost gemeinsam erforschen & anschaulich vermitteln

Die Polarregionen sind gleichzeitig so fern und dabei so relevant für das globale Klimasystem. Dabei sind es gerade die weniger sichtbaren Veränderungen und Prozesse, die es zu entschlüsseln gibt: Das Tauen der Permafrostböden. Das Citizen Science Projekt UndercoverEisAgenten, getragen vom AWI, DLR und HeiGIT, verknüpft Permafrostforschung
mit Bildungsarbeit und digitaler Teilhabe. Gefördert vom BMBF (Laufzeit: Juli 2021 – Dezember 2024), zielt das Projekt darauf ab, mithilfe von Drohnenaufnahmen und lokaler, indigener Expertise Veränderungen des arktischen Permafrosts messbar zu machen. Dabei haben Schüler:innen der Moose Kerr School in Aklavik, Nordwest Territorien/Kanada die Permafrost-Landschaften mit Drohnen kartiert, während Schüler:innen verschiedener Schulen in
Deutschland diese durch Mikro-Mapping-Tasks ausgewertet.
Dieser Lightning Talk gibt einen kurzen Einblick und Teaser, was es am gleichnamigen Marktplatzstand zu sehen und erfahren gibt.

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