Thematische Session 2.4

von Gönner, Julia; Bischof, Roland & Bonn, Aletta

Kartieren und anpacken - Wie kann Citizen Science den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen unterstützen? - Vorstellung und Diskussion von Fallbeispielen und guter Praxis

Die Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme und ihre biologische Vielfalt sind durch verschiedene, menschliche Aktivitäten gefährdet. Gleichzeitig beobachten wir eine Entfremdung zwischen Menschen und Natur und einen fortschreitenden Verlust von Artenkenntnissen. Weltweit gibt es unzählige Citizen Science-Monitoringprojekte, die diese Herausforderungen angehen und bestimmte Organismengruppen oder den Zustand von Ökosystemen unter Beteiligung ehrenamtlich aktiver Forscher:innen untersuchen. Citizen Science-Projekte sind inzwischen eine wichtige Grundlage für die Umwelt- und Biodiversitätsforschung und tragen zur Sensibilisierung, Vernetzung und zum Empowerment von Bürger:innen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bei. Die Teilnehmenden umweltbezogener Citizen Science-Projekte engagieren sich z.B. für die Erfassung bestimmter Artengruppen (Pflanzen, Schmetterlinge, Vögel), untersuchen den Zustand von Lebensräumen (z.B. Gewässer) oder dokumentieren Umweltparameter und -belastungen (z.B. Luftqualität, Plastikmüll, Lichtverschmutzung). Viele von ihnen möchten darauf basierend wirksam werden und sich gemeinsam für den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen einsetzen.
Gleichzeitig werden Citizen Science-Daten und Ergebnisse aktuell nur in wenigen Fällen eingesetzt, um die Arbeit von Umweltbehörden zu unterstützen. Auch im Bereich der Citizen Science-gestützten, praktischen Umweltschutzarbeit besteht noch viel ungenutztes Potenzial. Citizen Science-Projekte wie FLOW (ökologisches Monitoring von Bächen) und VielFalterGarten (Schmetterlingsmonitoring) versuchen, ihren Teilnehmenden Ideen zum praktischen Gewässerschutz bzw. zur Aufwertung urbaner Grünflächen an die Hand zu geben. Dabei stoßen sie jedoch häufig auf komplexe Herausforderungen in Bezug auf die Koordination, Finanzierung und organisatorische Umsetzung ehrenamtlich getragener Umweltschutzaktivitäten.
Mit dieser Session laden wir Forschende, Praktiker:innen und Interessierte aus Ökologie und Umwelt- und Naturschutz ein, Möglichkeiten und Strategien zur Einbindung von Citizen Science-Monitoringergebnissen in die praktische Umweltschutzarbeit zu diskutieren. Ein wichtiges Ziel der Session ist es, den Erfahrungsaustausch und die Vernetzung zwischen verschiedenen Akteur:innen in Citizen Science und Umweltschutz zu fördern. Dazu wird es nach einer kurzen Begrüßung und Einleitung drei 15-minütige Fachvorträge und drei 5-minütige ‚lightning talks‘ von Aktiven aus unterschiedlichen Einrichtungen und Disziplinen zu ihren praktischen Erfahrungen mit Citizen Science-basierter Umweltschutzarbeit geben. Schließlich diskutieren wir die vorgestellten Partizipationsansätze und Initiativen in einem moderierten Gespräch (30min). Dabei sind alle Teilnehmenden der Session eingeladen, Fragen zu stellen oder eigene Erfahrungen, Ideen und Ressourcen zu teilen. Die Ergebnisse der Session werden auf Flipcharts dokumentiert und am Ende allen Interessierten zur Verfügung gestellt.

Abstracts

Bunje, Nele

Inwiefern können bestehende Citizen Science-Gewässermonitoringprojekte zur ökologischen Aufwertung von Bächen und Flüssen beitragen? Eine systematische Reviewstudie

Citizen-Science-Projekte bieten ein vielversprechendes Potenzial, um sowohl den Zustand vor als auch nach Renaturierungsmaßnahmen zu dokumentieren und langfristig zu begleiten.

Im Rahmen unserer Studie haben wir eine systematische Reviewstudie durchgeführt, um globale Citizen-Science-Monitoring-Projekte im Kontext von Flüssen und Bächen zu identifizieren und vergleichend zu bewerten. Dabei lag der Fokus auf den verwendeten Methoden und Indikatoren sowie deren Eignung zur Bewertung der ökologischen Wirksamkeit von Renaturierungen.

Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Partizipationsgruppen gelegt: Wir analysierten, welches Vorwissen Citizen Scientists in die Projekte einbringen, welche Schulungsmaßnahmen zur Qualitätssicherung durchgeführt werden und wie sich diese auf die Datenqualität auswirken. Zudem untersuchten wir, wann, wo und unter welchen Bedingungen die Projekte weltweit umgesetzt wurden, und verglichen ihre methodischen Ansätze systematisch miteinander.

Die Projekte wurden darüber hinaus hinsichtlich des Grades der Beteiligung der Bürgerwissenschaftler*innen kategorisiert. Basierend auf unseren Ergebnissen leiten wir praxisorientierte Empfehlungen für Wissenschaft, Praxis und Politik ab, um das Potenzial von Citizen Science für die Begleitung und Bewertung von Gewässerrenaturierungen gezielt zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Danker, Stella

Partizipative Gewässer-Wiederherstellung durch Bürgerforschende: Motivationen, Kapazitäten & Bedarfe.

Wie kann ein Citizen Science Projekt zum partizipativen praktischen Gewässerschutz beitragen? Wie können Bürgerforschende dazu befähigt werden, niedrigschwellige Gewässerschutzmaßnahmen umzusetzen? Und wie kann dabei die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren wie Behörden, Kommunen, (Umwelt-) Verbänden, Flächenanliegern und -eigentümer:innen gelingen?

Im Rahmen des FLOW Citizen Science Projekts wurden standardisierte Befragungen sowie explorative Interviews mit Fachpersonen zu Motivationen, Kapazitäten und Bedarfen für partizipative Umweltforschung und Gewässeraufwertung durchgeführt. Anhand dieser wird ein Einblick gewonnen, welches Interesse, Möglichkeiten und Fähigkeiten in der FLOW-Community bestehen, über das mittlerweile etablierte Citizen Science Monitoring kleiner Fließgewässer hinaus, niedrigschwellige Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung zu planen und umzusetzen. Der Vortrag diskutiert die Potenziale und Herausforderungen und regt eine Diskussion an, inwieweit Citizen Science Projekte zum praktischen Gewässerschutz beitragen können.

Detzner, Doreen

Flow und Fluss.Frei.Raum - Nutzung von Citizen Science in einem bayerischen Fließgewässerprojekt

Das Projekt Fluss.Frei.Raum – klimaresiliente Bäche und Flüsse für Bayern setzt sich für den Rückbau nicht mehr benötigter, maroder Barrieren in bayerischen Gewässern ein. So kann ein Beitrag zum Natur- und Klimaschutz geleistet werden, da extrem biodiverse Habitate wiedervernetzt und wiederhergestellt werden. Naturnahe Habitate bringen nicht nur Vorteile für die dort ansässigen Lebewesen, sondern auch für die Menschen. Intakte Fließgewässer sorgen für Kühlung, sind außergewöhnliche Erholungsorte und der Rückbau baufälliger Querbauwerke sorgt zudem für eine Senkung von Risiken bei Hochwasser. Im Projekt soll über gezielte Kommunikation, sowohl mit den Gewässer- und Wehrverantwortlichen, als auch mit der breiten Öffentlichkeit, für das Thema sensibilisiert und mit dem Verständnis zur aktiven Einbringung und Selbstwirksamkeit motiviert werden. Um diese Sensibilisierung anzustoßen, wird auch das Citizen Science Projekt FLOW genutzt, um die Menschen aktiv ans und ins Gewässer zu bringen und die Faszination Fließgewässer zu vermitteln. Durch das aktive Mitmachen und den „anfassbaren“ Zugang zum Thema wird ein starkes Band der Menschen mit dem Thema Gewässer geknüpft, auf das in der weiteren Projektarbeit aufgebaut werden soll. Durch die Vermittlung des Grundlagenwissens über die FLOW-Erhebung wird Verständnis für die Wichtigkeit naturnaher Fließgewässer vermittelt, das von den Teilnehmenden als MultiplikatorInnen in die Welt getragen wird.

Finsterbusch, Eva-Maria

35 Jahre Bachpatenschaften in Rheinland-Pfalz - Erfolgsfaktoren für gelingenden bürgerschaftlichen Gewässerschutz in Kooperation mit den Kommunen

Seit über 30 Jahren gibt es in Rheinland-Pfalz ehrenamtliche Bachpatenschaften. Als offizielle Partner der unterhaltungspflichtigen Kommunen kümmern sie sich im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten um den guten ökologischen Zustand ihrer betreuten Gewässer. Seit den letzten Jahren wird eine Transferumkehr von Fachwissen beobachtet, d.h. fachlich oft bestausgebildete Bachpat.innen können dem verwaltungstechnischen Personal in Kommunen wertvolle Hinweise liefern, dort Impulse setzen und Maßnahmen an Gewässern begleiten aber auch in gewissem Umfang selbst durchführen. Wie diese Zusammenarbeit gut gelingt und welche Möglichkeiten hier ausgeschöpft werden, wird beispielhaft an konkreten Projekten vorgestellt. Wie Bachpatenschaften in universitäre Forschungsprojekte eingebunden sind, wird ebenfalls beleuchtet.

Esquivel Blanco, Tadeo & Rangel Velasco, Rodrigo

I have friends everywhere: Citizen science and invasive freshwater mollusks in Mexico

Citizen science platforms have emerged as powerful tools for biodiversity research, enabling large-scale data collection, fostering community engagement, and connecting scientific work with society. This work brings together multiple case studies that illustrate how these platforms contribute to the detection, monitoring, and management of non-native and invasive species. Examples include the mapping of freshwater mollusks in Mexico through the integration of iNaturalist observations with museum collections, as well as the documentation of range expansions in apple snails (Pomacea spp.) and other taxa.

Across these cases, citizen-generated data, when combined with expert validation, proved essential for early detection, tracking distributional changes, and informing targeted management strategies. These examples also highlight common challenges, such as ensuring data quality, addressing geographic and taxonomic gaps, and maintaining long-term engagement through meaningful feedback and collaboration.

By exploring these experiences, this work reflects on the strengths and limitations of participatory approaches in biodiversity monitoring and discusses how they can be further strengthened and adapted to address the accelerating spread of invasive species in both local and global contexts.

Henkel, Stefanie; Pe'er, Guy & Bonn, Aletta

„Jeder zählt Schmetterlinge – jeder Schmetterling zählt“: Citizen Science für den Schutz urbaner Biodiversität am Beispiel von VielFalterGarten und UNP+

Mit fortschreitender Urbanisierung steht die biologische Vielfalt in Städten zunehmend unter Druck. Gleichzeitig nehmen Städte eine Schlüsselrolle für den Biodiversitätsschutz ein – denn urbane Grünflächen können Rückzugsräume für viele Arten bieten, darunter auch gefährdete Insektengruppen. Schmetterlinge gelten als besonders geeignete Bioindikatoren für die Bewertung von Umweltveränderungen: Viele Arten sind empfindlich gegenüber Habitatverlust, Umweltstressoren und Landschaftszerschneidung und reagieren rasch auf Veränderungen ihrer Lebensbedingungen. Zugleich sind sie charismatisch, gut erforscht und relativ einfach zu identifizieren – ideale Voraussetzungen für die Einbindung von Bürger:innen in ihr Monitoring. Das Leipziger Citizen-Science-Projekt VielFalterGarten nutzt diese Eigenschaften, um Stadtbewohner:innen systematisch in die Beobachtung und Erfassung von Tagfaltern in Gärten, Parks und anderen urbanen Grünflächen einzubeziehen. Ziel ist es, nicht nur wissenschaftlich verwertbare Daten zur Biodiversität zu generieren, sondern Teilnehmende zugleich für ökologische Zusammenhänge zu sensibilisieren und zur aktiven Gestaltung biodiversitätsfördernder Lebensräume zu befähigen. Im Rahmen des EU-Projektes Urban Nature Plans+ (UNP+) weiten wir diesen Ansatz nun bundes- und europaweit aus. In diesem Beitrag zeigen wir, wie Citizen Science in der Praxis sowohl zur Datenerhebung als auch zur konkreten Wiederherstellung von Ökosystemen im urbanen Raum beitragen kann. Wir präsentieren erste Ergebnisse aus dem Monitoring und diskutieren die Potenziale und Herausforderungen eines Citizen-Science-basierten Ansatzes für den urbanen Biodiversitätsschutz.

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