Leipziger KUBUS I Saal 1AB
Zeit:
Mittwoch, 12.11.2025
15:00 – 16:30 Uhr
Thematische Session 1.1
Voß, Jan-Peter; Bohmann, Ulf & Schölzel, Hagen
Was hat Partizipation mit Demokratie zu tun – und wie?
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Vorträge
Guagnin, Daniel & Sayman, Volkan
Das Demokratische verhandeln: Partizipation als Grenzarbeit in Forschung und Innovation
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Arndt, Claudia & Staemmler, Johannes
„Heimat auf Augenhöhe?“ – Grenzen, Spannungen und Möglichkeiten partizipativer Heimatforschung in der Lausitz
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Mech, Sebastian
Kinder- und Jugendparlamente erforschen – Zur Notwendigkeit partizipativer politikwissenschaftlicher Forschung mit Kindern und Jugendlichen
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Bartl, Walter & Heer, Sebastian
Assembling Regional Expertise: Co-creation Workshops in EU-funded Research on the German Coal Phase-out
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Thematische Session 1.1
Voß, Jan-Peter; Bohmann, Ulf & Schölzel, Hagen
Was hat Partizipation mit Demokratie zu tun – und wie?
Für Partizipation in der Wissenschaft gibt es zwei Begründungslinien. Die epistemische Linie behauptet eine bessere Abbildung relevanter Aspekte des Gegenstandes durch den Einbezug nicht-akademischer Expert:innen: Das, was man entwickelt, funktioniert am Ende besser. Die politische Linie behauptet, wenn transformative Wissensproduktion demokratisiert wird, kann gesteigerte Legitimität für ihre realitätsverändernden Wirkungen erzielt werden: Das, was man entwickelt, findet mehr Akzeptanz und Unterstützung.
Wir widmen uns hier der politischen Begründungslinie und fragen: Was ist denn eigentlich demokratisch an der Art wie Gesellschaft in Forschungsprozessen partizipiert?
Das wirft einerseits konzeptionelle Fragen dazu auf, wie wir Demokratie in Bezug auf die Öffnung von Wissenschaft verstehen wollen: Welches Konzept von Demokratie ist angemessen? Unter welchen Bedingungen ist Öffnung, Pluralisierung, Inklusion bzw. der Einfluss von Praxisakteuren, Stakeholdern, staatlichen Stellen, zivilgesellschaftlichen Akteuren oder Nutzer:innen demokratisch?
Andererseits wirft es empirische Fragen nach der konkreten Praxis der Partizipation auf: Wer spricht eigentlich im Namen „der Gesellschaft“ oder bestimmter Gruppen? Wie sind diese Repräsentationsbehauptungen rückgekoppelt mit denen, die repräsentiert werden sollen? Und wenn verschiedene gesellschaftliche Werte, Sorgen und Wünsche aufeinander treffen, wie werden sie miteinander verhandelt und entschieden? Und wie werden sie zu epistemischen Zielen und daraus resultierenden Erfordernissen in Beziehung gesetzt, wenn es darum geht, was wie erforscht wird? Wie also artikuliert sich der „Demos“ und wie übt er Gestaltungsmacht aus?
Die Session umfasst sowohl Beiträge, die sich theoretisch-konzeptionell mit dem Thema der demokratischen Qualität von Partizipation in der Wissenschaft befassen, wie auch solche, die empirisch-analytisch konkrete Praktiken beschreiben, in denen „die Gesellschaft“ repräsentiert wird.
Abstracts
Guagnin, Daniel & Sayman, Volkan
Das Demokratische verhandeln: Partizipation als Grenzarbeit in Forschung und Innovation
Guagnin, Daniel; Sayman, Volkan, Nexus Institut für Kooperationsmanagement Die Partizipation von Bürger:innen in Kontexten wissenschaftlicher Wissensproduktion und Technologieentwicklung fußt auf dem Versprechen einer durch Partizipation erhöhten Legitimität ihrer Vorgehensweisen, Ergebnisse und Folgen. Voraussetzung für die Legitimität von Partizipation in der Wissenschaft ist jedoch eine vorläufig geteilte Idee davon, was demokratische Repräsentation in der Wissenschaft ausmacht. Letztere ist, so unsere Beobachtung, häufig Gegenstand von Deutungskonflikten. Im Anschluss an konstruktivistische sozialwissenschaftliche Technikforschung und STS stellen wir Überlegungen vor, die diese Aushandlung als „Grenzarbeit“ konzeptualisieren. Grenzarbeit findet laufend implizit und explizit, kommunikativ und über Objektbeziehungen vermittelt statt und ist geprägt von Deutungskonflikten über das Demokratische der Partizipation. Aus unserer Praxis heraus lässt sich diese Grenzarbeit auf drei Ebenen verorten: der Ebene der Partizipation von Nicht-Expert:innen an Wissensproduktion und Technologieentwicklung, der Ebene der organisationalen Einbettung von Innovationen und der Ebene der Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen als Stakeholder im Rahmen teils wissenschaftlicher, regulativer und gesellschaftspolitischer Diskurse. In unserem Beitrag berichten wir aus drei Projekten, die sich jeweils einer der Ebenen zuordnen lassen. Wir thematisieren Effekte eingesetzter Methoden (Ko-Kreation; repräsentative Mitarbeiter:innenpanels in Organisationen; Stakeholder-Dialoge) auf die Konstitution der Partizipierenden und das Demokratieverständnis. Wir skizzieren Konfliktlinien der Aushandlung dessen, was demokratische Partizipation in der Wissenschaft ist, sein sollte
Arndt, Claudia & Staemmler, Johannes
„Heimat auf Augenhöhe?“ - Grenzen, Spannungen und Möglichkeiten partizipativer Heimatforschung in der Lausitz
Wie gelingt Forschung mit statt über Menschen – und was passiert, wenn das Experiment gewagt wird? Anhand konkreter Beispiele aus der Lausitz – etwa der Arbeit mit älteren Menschen, jungen Erwachsenen und kommunalen Partner:innen – werden Grenzen und Potenziale gemeinsamer Forschung aufgezeigt. Anliegen der Transferreihe „Zuversicht: Heimat?!“ des BMBF-Transferprojektes Alterperimentale (Praxis-forschungsstelle Cottbus/ BTU Cottbus-Senftenberg) war es Perspektiven aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Verwaltung zusammenzubringen – durch Formate wie Erzählcafés, Fishbowl-Diskussionen oder Raumerkundungen.
Im Fokus: die Lausitz als Raum tiefgreifender Transformation. Ziel war es, Heimat als sozialen Aushandlungsraum zu erforschen und gemeinsam zu gestalten. Doch wie viel „Augenhöhe“ ist in partizipativen Formaten wirklich möglich? Dabei wurde auch sichtbar: Nicht alle verstehen Heimat gleich, und nicht jede Stimme will gehört werden.
Der Beitrag fragt kritisch: Wo beginnt Beteiligung – und wo bleibt sie symbolisch? Wie können Em-powerment-Ansätze gelingen, wenn Zugänge und Zeitressourcen ungleich verteilt sind? Wenn Menschen über unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe verfügen sich selbst eine Stimme zu geben. Und wie lassen sich Widersprüche aushalten, etwa zwischen institutionellen Zwängen, dem Anspruch auf Offenheit und echten, auch unbequemen Perspektiven?
Mech, Sebastian
Kinder- und Jugendparlamente erforschen – Zur Notwendigkeit partizipativer politikwissenschaftlicher Forschung mit Kindern und Jugendlichen
Kinder- und Jugendparlamente (KiJuPa) sind eine Form strukturell verankerter politischer Partizipation junger Menschen, insbesondere in kommunalen Kontexten. Sie fördern demokratische Kompetenzen und stärken das Vertrauen junger Menschen in politische Institutionen – entgegen zunehmender politischer Entfremdung. Dennoch bleibt ihre Reichweite weitgehend unerforscht.
Dabei kann die Erforschung von Kinder- und Jugendparlamenten fruchtbare Erkenntnisse liefern. KiJuPa haben eine demokratisch-sozialisierende Wirkung auf die Teilnehmenden: Sie stärken das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen unter Kindern und Jugendlichen und deren politische Selbstwirksamkeit. Sie fördern einen aktiven Generationendialog zwischen etablierten kommunalen Politik- und Verwaltungsstrukturen und einer zukünftigen Generation demokratischer Bürger:innen. Im Angesicht von Demokratien unter Druck, demokratischer Regression weltweit und erstarkenden Extremismustendenzen unter jungen Menschen ergibt sich das Bild von KiJuPa als unterschätzter Sozialisationsinstanz, deren Untersuchung relevanter denn je erscheint.
Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention verbrieft das Recht auf Partizipation für Kinder. Wer zu Kinder- und Jugendpartizipation in KiJuPa forscht, steht in der Pflicht, Kinder und Jugendliche an dieser Forschung zu beteiligen. Dieser These wird dieses Paper aus der kritisch-theoretischen Perspektive des Adultismus nachgehen. Anhand eines systematischen Literaturreviews wird die Notwendigkeit partizipativer Forschung in der Politikwissenschaft erörtert, mit besonderem Blick auf KiJuPa. Zudem werden erste empirische Erkenntnisse aus einem partizipativen Forschungsprojekt zu Kinder- und Jugendparlamenten eingespeist.
Bartl, Walter & Heer, Sebastian
Assembling Regional Expertise: Co-creation Workshops in EU-funded Research on the German Coal Phase-out
Regional expertise is a crucial aspect of effective and legitimate policy formulation within the multilevel governance system of the European Union (EU). We argue that EU-funded research contributes to the multilevel network governance in the EU. However, until now, this aspect of expertise formation has undergone little analysis. Drawing on materials from an EU-funded research project on energy transition processes as well as our participation in this project as contracted researchers, we investigate how regional expertise is assembled in co-creation workshops of scientists and regional stakeholders. We first reconstruct the implicit programme theory of transformative research which emphasizes the value of practical knowledge of (regional) stakeholders in complementing scientific knowledge for governance purposes. Using our analysis of the interactions between workshop participants, we point out the benefits and challenges of assembling regional expertise from heterogeneous actors. Finally, we compare this hybrid mode of knowledge co-creation with (hypothetical) more segregated forms of expertise.
