Abstracts

Kuppelsaal

Mewes, Julie Sascia; Baum, Franziska;  Bischof, Andreas; Göbel, Claudia; Backhaus, Julia; Rohde, Gudrun; John, Stefan; Vasilyeva, Zinaida; Albiez, Marius; Laborgne, Pia; Sayman, Volkan; Guagnin, Daniel; Schulte-Römer, Nona

part_sts — Methodische Chancen und Herausforderungen partizipativer Forschungsansätze in und für die science and technology studies II

Ziel des Panels ist es, einen Überblick über die Vielfalt und die Reflexion partizipativer Forschungsansätze und -methoden innerhalb der science and technology studies (sts) zu geben. sts sind ein inter- und transdisziplinäres Forschungsfeld, das die Entstehung, Entwicklung und Folgen von Wissenschaft, Innovation und Technologie in ihrem historischen, kulturellen und sozialen Kontext untersucht und sich häufig als inhärent gesellschaftspolitisch oder sozial engagiert versteht. Obwohl in den sts seit jeher eine Vielzahl partizipativer Forschungsansätze zum Einsatz kommt, sind jene sts-Forscher:innen, die sich explizit als Teil einer Fachcommunity der partizipativen Wissenschaften verstehen, zumindest in der deutschsprachigen Community selten und untereinander wenig vernetzt. Dabei bieten geteilte Herausforderungen und Interessen der partizipativen sts (part_sts) ein großes Potenzial für intensiveren Wissensaustausch, Vernetzung und Kooperation. Hier setzt das Panel an: In zwei Sessions werden verschiedene und artverwandte Strömungen der partizipativen sts – in partizipativem Design, ‘Citizen Science Studies’, Wirkungsforschung, Stadt- und Reallaborforschung und Technikfolgenabschätzung – in insgesamt sieben Vorträgen vorgestellt. Dabei soll der Fokus auf der methodischen Umsetzung liegen und ein Austausch über die jeweiligen Chancen und Herausforderungen angeregt werden. Die zweite Session des Panels besteht aus drei Vorträgen. An der abschließenden gemeinsamen Diskussionsrunde beteiligen sich auch die Vortragenden der ersten Session, um die Vielfalt der Partizipation, wie sie in den sts praktiziert und beforscht wird, besser abbilden und unterschiedliche Positionierungen von part_sts – z.B. als ‘subversive partner in crime’, ‘critical friend’ oder Innovationsgenerator:innen – und gemeinsame Schnittstellen zu diskutieren

Vortrag 5 Zinaida Vasilyeva Das Prinzip der Symmetrie ist zentral für die STS-Disziplin. Wie aber wirkt sich dieses in der Praxis der partizipativen Forschung aus? Ausgehend von ihrer Studie über die institutionellen Auswirkungen von Partizipation am MfN Berlin, wird die Autorin die Herausforderungen einer eingebetteten STS-Forschung und die Möglichkeiten beiderseitig ertragreicher transdisziplinärer Zusammenarbeit diskutieren.

Vortrag 6 Julie Sascia Mewes, Franziska Baum & Andreas Bischof reflektieren in ihrem Beitrag die Performativität und Darstellung der Datenarbeit am Beispiel des Projekts Simplications. Das Forschungsprojekt zu Nutzer:innentests in den Technikwissenschaften wird im Hinblick auf die Datenerhebung und Darstellung des Einsatzes partizipativer Methoden methodographisch analysiert. Wie wird die Arbeit mit und von Daten umgesetzt und in Forschungspublikationen dargestellt?

Vortrag 7 Marius Albiez & ​​Pia Laborgne diskutieren Anknüpfungspunkte von part_sts an die nachhaltigkeitsorientierte Reallaborforschung. Im Mittelpunkt stehen unterschiedliche partizipative Ansätze und Methoden aus einem Jahrzehnt Reallaborarbeit in Karlsruhe. Sie gehen sowohl auf die konzeptionelle als auch auf die Anwendungsebene ein – beispielsweise anhand von Realexperimenten mit Balkon-Solarmodulen. Zudem werden Elemente der Technikfolgenabschätzung berücksichtigt.

 

Atelier 2

von Peter, Sebastian; Krämer, Ute Maria; Afeworki, Robel; Scharf, Bertold; Rogalla, Irmhild; Neukirchinger, Barbara

Kollektives Erfahrungswissen und akademische Forschung: (wie) geht das gemeinsame Forschen von Akteur:innen mit unterschiedlichen Wissen(schaft)skulturen?

Historisch gingen sie getrennte Wege: die akademisch verankerte Forschung und die Wissensproduktionen von Menschen mit oft intersektional verschränkten Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen. Als ‘Outsider Within‘‘ entwickelten selbst betroffene Wissenschaftler:innen neue emanzipatorische Ansätze: die Disability Studies mit dem sozialen Modell von Behinderung, die Betroffenenkontrollierte Forschung und die Mad Studies im Bereich Psychiatrie, die anti-rassistischen Forschungsansätze von BIPoC Wissenschaftler:innen. Diese brachten vormals ausgeschlossenes subjektives und kollektives Erfahrungswissen in die akademischen Wissenschaften, wo sie mit ihren Theorien von Betroffenen bisher geltende Theorien über Betroffene herausforderten. Ebenfalls entwickelten sie innovative oder hybride Methoden, um subjektive und kollektive Erfahrungen, Narrative und Materialien aus den sozialen Bewegungen in methodisch nachvollziehbare Wissensherstellung einzuarbeiten. Im Rahmen vieler Diskurse der akademisch angesiedelten partizipativen/ transdisziplinären Forschung werden die oben genannten, emanzipatorischen Ansätze nur marginal berücksichtigt. Es kommen die Konzepte und Theorien dieser emanzipatorischen Wissens(schaft)sansätze in Wissenschaftspolitiken nur als Feigenblatt oder gar nicht vor. Auch werden ihre inklusiv-hybriden Methoden oder Verbreitungsformate durch wenige engagierte akademische Wissenschaftler:innen oder wissenschaftlich arbeitende Aktivist:innen aufgenommen. Die Gefahr, dass akademisch angesiedelte partizipative Forschung Kernelemente dieser emanzipatorischen Ansätze exkludieren oder vereinnahmen, ist groß – und teils bereits eingetreten. Im vorliegenden Symposium präsentieren selbst betroffene und andere Wissenschaftler:innen diverse konzeptuelle und methodische Innovationspotentiale und spezifische Barrieren im akademischen Umsetzen partizipativ-emanzipatorischer Forschungsansätze.

Der erste Vortrag (Dr. Irmhild Rogalla, Dr. Barbara Neukirchinger, Bertold Scharf) möchte einen Beitrag zur Reflexion von Machtverhältnissen in der Wissenschaft leisten. Er thematisiert den mangelnden Einbezug von behinderten Menschen und Wissenschaftler:innen in Forschungsprozessen. Inwieweit ist die Betroffenenperspektive wichtig oder notwendig? Welche Erfahrungen haben behinderte Wissenschaftler:innen damit?

Im zweiten Vortrag spricht Ute Krämer über gelebtes Erfahrungswissen in einem partizipativen Forschungsprojekt mit psychiatrieerfahrenen Akteuren. In Tagesworkshops mit je 10-12 Teilnehmenden entfaltete sich das kollektive, dialogische Wissen ‘‘im Zwischen‘‘. Die davon gemachten Transkripte aber repräsentieren nur Einzel-Aussagen. Wie geht gelebtes Wir-Wissen durch das Nadelöhr der Analyse? Welche Rolle haben dabei Wissenschaftler:innen? Sie – und nicht die Transkripte – erinnerten körperlich und reflexiv das gelebte Workshop-Wissen. Ist das überhaupt eine Methode? Was vom gelebten Miteinander-Wissen lässt sich (überhaupt und wie) durch wissenschaftliche Themenbildung und Vertextung darstellen?

Daran anschließend führt Robel Afeworki in das Konzept Cultural Humility ein und thematisiert dabei, wie konstruktives Scheitern und kulturelle Demut als integrale Bestandteile und als ertragreiche Instrumente zur kontinuierlichen Reflexion methodisch-methodologischer und forschungsethischer Frage partizipativer Forschungsprozesse nutzbar gemacht werden können.

Die abschließende Diskussion bietet Gelegenheit zum Austausch im Sinne eines kritischen Denkraums.

Atelier 4

Jamal, Aneesa; Maruf, Amar; Matovu, Baker; Dellwing, Michael; Han, Xiao; van Bömmel, Marie; Schnittger, Evelyne

Transdisziplinarität im internationalen Vergleich

Wir bieten ein Panel an, das internationale td-ForscherInnen mit PartWiss verbindet, in Zoom und Präsenz, zweisprachig, mit Simultanübersetzung. Es leitet ein mit völkerrechtlichen Grundlagen transdisziplinärer Forschung als verbindlichen Leitlinien; sie kontrastieren historische, geografische und politische Anforderungen im internationalen Vergleich.

  1. Lokale Wahrnehmung der Auswirkungen des Klimawandels bei Sama-Bajau-Fischern und ihren Schutzherren im Wakatobi Nationalpark Indonesien. Amar Maruf. Td-Forschung zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Wahrnehmung der Auswirkungen des Klimawandels bei unterschiedlichen Betroffenen unterstützt die Entwicklung von Co-Anpassungsstrategien. Amar vergleicht die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Sama-Bajau-Fischer und ihrer Auftraggeber auf der Insel Wangi-Wangi im Wakatobi-Nationalpark im Zeitraum August 2021 bis Februar 2022 durch Interviews, informelle Gespräche, Feldbeobachtung und Analyse der Sekundärdaten. Künftige Forschungsarbeiten sollen kontextspezifische Bewältigungs-, Anpassungs- und Transformationsmaßnahmen untersuchen. Übersetzung: Dr. Michael Dellwing, Universität Kassel.
  2. Nicht fair! Die Bedeutung des Klimawandels für indische Kinder während einer PBL-kritischen und pädagogikbasierten Intervention. Aneesa Jamal. Indien. Das mangelnde Verständnis von Kindern für den Klimawandel und ihre große Angst wird zurückgeführt auf die Klimabildung, die positivistische, wissenschaftlich-technische Ansätze verwendet. Aneesa erörtert ein auf kritisch-konstruktivistischer Pädagogik und Transdisziplinarität basierendes Modul aus dem Jahr 2023 in Indien für 11- bis 15-Jährige. Die Lernerfahrungen umfassten Verbindungen zur Gemeinschaft, naturbasiertes Lernen, wissenschaftliche Modellierung und Simulationen, Geschichtenerzählen und Kunst, Exkursionen und von Schülern durchgeführte Ethnographie. Ergebnisse zeigen Klimakompetenz, positive Klimaemotionen, Empathie mit marginalisierten Gemeinschaften und konkrete Wege zu Klimaschutzmaßnahmen. Übersetzung: Marie von Boemmel, Humboldt-Universität zu Berlin
  3. Verstärkung der Küstengemeinden, deren Stimmen bisher nicht gehört werden. Transdisziplinäre Forschung unterstützt und ermächtigt Mitgestaltung nachhaltiger Entwicklung der Ozeane. Baker Matovu. Indien. Baker zeigt die Möglichkeiten, die transdisziplinäre Forschung bietet für die Förderung von Gerechtigkeit für gefährdete Gemeinschaften des globalen Südens. Er hebt Hindernisse für die Nutzung des transformativen Potenzials hervor, die Grenzen transdisziplinärer Forschung mit sich bringen. Die Perspektiven von Fischerinnen an der Küste vor Kerala sind Grundlage transformativer Narrative. Sie rücken ins Zentrum wissenschaftlicher Aufmerksamkeit, damit gefährdete Gemeinschaften an nachhaltiger Entwicklung der Ozeane mitwirken und für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit einzutreten können. Übersetzung: Evelyne Schnittger, Universität Hamburg.

Die drei Präsentationen dauern jeweils 20 Minuten, Einleitung und Zusammenfassung jeweils 5 Minuten; 20 Minuten für Fragen und Diskussion.

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